Immer mehr Wirtschaftszweige setzen auf die Digitalisierung, auch die Versicherer verschreiben sich zunehmend diesem Trend. Doch bis Produkte und Dienstleistungen komplett digitalisiert sind, ist ein weiter Weg zu beschreiten. Das hat kürzlich die Allianz Leben bei einem Blick hinter ihre Kulissen veranschaulicht und zwar bei einer Präsentation ihres „Agilen Training Centers“ (ATC) in Stuttgart.
In diesen sitzen so genannte Agile Master, Business Analysten, CX und UX Designer, Entwickler, Marketingmanager und Fach Owner an einem Tisch. Alles hippe junge – meist Männer –, deren einziges und klar definiertes Ziel ist es: Professioneller und schneller auf das komplexer gewordene Kundenverhalten reagieren, deren Wünsche besser erfüllen zu können, aber auch für ihren Arbeitgeber, die Allianz Leben, eine ökonomischere Kundenansprache umsetzen zu können.
Kreative Schleifen und kundenfreundliche Produkte
Viel Gehirnschmalz, kreative Schleifen und auch Fehlschläge sind notwendig, bis kundenfreundliche Produkte und Prozesse in der Praxis laufen können. Das Agile Training Center in der schwäbischen Metropole ist aber nur ein Teil des digitalen Gesamtkunstwerkes der Allianz. Das Dach der agilen Organisation ist die so genannte Digital Factory. Diese „Versicherungsfabrik“ unterteilt sich in drei Sektoren. In die ATC in München und Stuttgart. In München arbeiten aktuell etwas mehr 200 Personen, in Stuttgart sind es rund 100.
Mit eingebunden in die jeweiligen ATC sind rund 50 Mitarbeiter der Design-Agentur „Kaiser X Labs“. Und dann gibt es noch das so genannte Digital Factory Steering-Team. Diese Experten sollen die ATCler bei „übergreifenden Fragestellungen“ unterstützen.
Vier (digitale) Themen auf der Agenda
Vier Themen will die Allianz Lebensversicherung in diesen agilen Zentren neu strukturieren oder austesten:
- Das Bewusstsein der Kunden erhöhen, dass die Riester-Zulage nicht zu vernachlässigen ist.
- Den digitale Antragsprozess für die Privatrente „Perspektive“ umsetzen.
- Ihr Arbeitgeber- und Arbeitnehmerportal („Firmenonline“) zu professionalisieren und
- den Sprachassistent „Alexa“ einzusetzen, damit Kunden ihren Rentenscore ermitteln können.
Stichwort Riester-Zulagen: Bislang schickte der Lebensversicherer, der rund 1,6 Millionen Riester-Kunden hat, Briefe mit Fragebögen an diese, mit dem Ergebnis: Viele der Briefe blieben unbeantwortet. Schlecht für die Kunden. Denn viele potenzielle Zulagen-Anwärter verschenken so ihr Geld.
Das ließ die Allianz aktiv werden und krempelte 2017 ihr Befragungssystem total um. Um herauszufinden, wie die Menschen motiviert werden können, zu reagieren, hat die Allianz 200.000 durchschnittliche Riester-Kunden herausgefiltert und diese Testkandidaten angeschrieben. Das neue Anschreiben ist nun „schlanker“ und enthält weniger Informationen, dafür aber einen Barcode. Mit diesem und dem Geburtsdatum kann sich der Kunde nun auf der Allianz-Seite einzuloggen. Augenblicklich ist man noch in der Testphase, ab Mai soll der neue kundenfreundlichere Fragebogen „live gehen“.
Digitaler Abschluss in rund 15 Minuten möglich
Auch bei ihrer nach eigenen Angaben sehr beliebten und attraktivem Rentenversicherung der „Privatrente Perspektive“ setzt die Allianz nun voll auf die digitale Karte. Auch hier waren wohl die Kunden die Treiber für diese Aktivität. Nach Aussage von Alf Neumann, Digitalisierungsvorstand der Allianz Leben, ist der digitale Abschluss dieses privaten Altersvorsorge-Angebots in rund 15 Minuten möglich. Bevor der Vertrag gültig ist, benötigt der Versicherer nur den monatlichen Beitrag, die Vertragslaufzeit und die persönlichen Daten des Kunden.
Für dieses Produkt wurde eine Cloud-Infrastruktur komplett neu entwickelt, sie ist aber eine technische Blaupause für weitere AV-Produkte. Denn die Privatrente soll nicht das letzte Produkt des Versicherers sein, das digital abschlussfähig ist. Details über die weiteren Produkte wollte die Allianz aber noch nicht liefern.
Alexa soll Kunden über ihre künftige Rente aufklären
Experimentierfreudig zeigt sich der Stuttgarter Lebensversicherer aber vor allem bei „Alexa“. Bislang wüssten noch sehr wenige Menschen wirklich, welche Rente sie im Alter zu erwarten hätten, das möchte die Allianz ändern und mit dem Rentenscore (eine Kennziffer, die auf Grundlage weniger Informationen eine Aussage über die künftige Rente liefern kann) die Kunden schlauer machen. Doch die Allianz-Alexa kann sogar den Kunden Vorschläge für ihr Vorsorgeverhalten unterbreiten oder bei weiterführenden Fragen der Kunden mit der Allianz-Hotline verbinden.
Doch trotz aller technischen Spielereien und Raffinessen bleibt eine frohe Botschaft für die Vermittlerschaft: „Von 100 Kunden, die online starten, schließen am Ende 90 beim Vermittler ab“, beruhigt der Allianz-Mann Andreas Vetter.
Autor(en): Meris Neininger