Die Private Krankenversicherung steht im Dauerfeuer medialer Kritik. Zwei-Klassen-Medizin, Vertriebsverfehlungen, Beitragsanpassungen, Probleme mit dem Rechnungszins, Lücken im Leistungsangebot – und das alles bei einer Versichertenstruktur, die Fragen aufwirft.
Wenn man etwas voraussehen kann, dann die Tatsache, dass vor jeder Bundestagswahl irgendeine Studie oder sonstige Veröffentlichung auf den Medienmarkt kommt, nach der Kassenpatienten beim Arzt länger warten müssen als Privatpatienten. Notfalls greift man auf eine alte Studie aus dem letzten Wahlkampf zurück. Damit scheint bewiesen, dass es eine Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland gibt. Das ist natürlich höchst unsozial und muss abgeschafft werden.
Der Patient hat es selbst in der Hand
Diesen Aufreger hat die Private Krankenversicherung (PKV) in den letzten Monaten bereits erneut über sich ergehen lassen müssen. Dabei ist bis heute nicht bewiesen, dass die Wartezeiten medizinische Nachteile nach sich ziehen. Wie auch, sind doch die Ärzte unverändert verpflichtet, ohne Ansehen der Person und deren Versichertenstatus im Notfall unmittelbar zu helfen. Dagegen fehlt in der Berichterstattung regelmäßig der Hinweis, dass jeder Kassenpatient sich selbst zum Privatpatienten machen und dessen Vorrechte nutzen kann. Der Wahltarif Kostenerstattung und eine private Zusatzversicherung machen es möglich. Das kostet allerdings mehr. Aber alles zum Nulltarif, das geht auch im Gesundheitswesen nicht.
Die Gier nach Macht – und Produktion
Aber die PKV bietet noch viel mehr Angriffsflächen. Ohne Frage kein Ruhmesblatt ist, was Mehmet Göker und manche Krankenversicherungs-Manager in der Dokumentation „Der Versicherungsvertreter“ des Journalisten Klaus Stern präsentieren. „Gier frisst Hirn“ wird offen und ohne jedes Unrechtsbewusstsein zelebriert. Der Vertrieb zeigt seine hässliche Seite, in der es um Macht, Geld, Ausbeutung von Menschen und das Ausleben von Trieben geht. Mittel zum Zweck ist die Produktionsleistung, die mit allen möglichen Mitteln angereizt wird, bis die fehlende Nachhaltigkeit in Millionen-teuren Pleiten offensichtlich wird.
Die betroffenen PKV-Unternehmen hatten offensichtlich nicht aus dem Wirtschaftskrimi gelernt, den die Branche vor rund 20 Jahren erlebte. Damals nutzen die Herren Schmidt-Tobler und Zantop die Gier der Lebensversicherungs-Manager aus und verdienten eine bis in die heutige Zeit ungeheuerliche Summe Geld. Wie Göker im Film fragt, was denn Unanständiges dabei wäre, angebotenes Geld auch anzunehmen, so verhielten sich auch diese Herren seinerzeit durchaus anreizkonform.
Am Kern vorbeidebattiert
Und noch ein Schlaglicht: Eine jüngst veröffentlichte Studie soll zeigen, dass die PKV weniger leistet als die GKV. Es ist bekannt, dass der Leistungskatalog der PKV einige Leistungen nicht kennt, die bei Krankenkassen erhältlich sind.Und es ist unverständlich, dass diese Leistungen nicht längst in den Leistungskatalog neu aufgelegter Vollversicherungstarife aufgenommen wurden, wo sie doch im Basistarif enthalten sind. Hier eröffnet die Branche unnötige Flanken.
Doch keine Reichen-Versicherung
Wenn keine sachlichen Argumente mehr gegen die privatwirtschaftlich organisierte Gesundheitsversorgung vorliegen, greift man in der politischen Debatte gerne auch einmal zu anderen Mitteln. Dazu gehört, der PKV ihre Versichertenstruktur und das Versicherungsprinzip der Risikoselektion vorzuwerfen und sie in Bausch und Bogen als Versicherung der Reichen zu diffamieren.
Das jedenfalls schließt das Wissenschaftliche Institut der PKV in einer aktuellen Untersuchungen aus Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008. Man wusste zwar auch bisher schon, dass fast die Hälfte der Vollversicherten Beamte und Pensionäre sind, die man größtenteils nicht zu den Besserverdienenden rechnen kann.Doch die Daten des Statistischen Bundesamtes aus einer Befragung einer großen Zahl von Haushalten müssten insbesondere denen zu denken geben, die Privatversicherte für Millionäre halten. 77,7 Prozent der volljährigen Vollversicherten erzielen ein Einkommen unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Wenig Selektion, wenig Systemwettbewerb
Hochgerechnet nur 1,7 Millionen Versicherte liegen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Selbst wenn man alle Beamten, Pensionäre, Schüler etc. ausschließt, bleiben 2,4 Millionen Angestellte und Selbstständige übrig. Das heißt, dass wahrscheinlich insbesondere unter den Selbstständigen ein hoher Anteil ebenfalls nicht zu den Besserverdienenden gehört, wenn man die Grenze mit der Jahresarbeitsentgeltgrenze gleichsetzt.
Auch weitere Indizien sprechen dafür, dass die Sozialstruktur der PKV-Versicherten sich nicht so gravierend von derjenigen der Gesamtbevölkerung unterscheidet, wie es in der Diskussion teilweise dargestellt wird. Das kann auch gar nicht sein, denn die PKV ist in ihren Möglichkeiten der Risikoselektion stark begrenzt. Es gibt eben kaum Systemwettbewerb, sondern eher starre und sachlich kaum mehr begründbare, willkürliche Systemgrenzen, die der Gesetzgeber zu verantworten hat.
Es ist gut, wenn der ideologische Nebel ein wenig gelichtet und die Menschen in den Blick genommen werden, die sich mit ihrem kostenbaren Gut Gesundheit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben einem Versicherer anvertraut haben. Dieses Vertrauen ein Leben lang zu rechtfertigen setzt voraus, dass auch der Versicherer selbst Vertrauen genießen kann. Dazu muss die Debatte fundierter, sachlicher begründet und vor allem mit einem Vertrauensvorschuss geführt werden.
Bild: Techniker Krankenkasse
Wenn man etwas voraussehen kann, dann die Tatsache, dass vor jeder Bundestagswahl irgendeine Studie oder sonstige Veröffentlichung auf den Medienmarkt kommt, nach der Kassenpatienten beim Arzt länger warten müssen als Privatpatienten. Notfalls greift man auf eine alte Studie aus dem letzten Wahlkampf zurück. Damit scheint bewiesen, dass es eine Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland gibt. Das ist natürlich höchst unsozial und muss abgeschafft werden.
Der Patient hat es selbst in der Hand
Diesen Aufreger hat die Private Krankenversicherung (PKV) in den letzten Monaten bereits erneut über sich ergehen lassen müssen. Dabei ist bis heute nicht bewiesen, dass die Wartezeiten medizinische Nachteile nach sich ziehen. Wie auch, sind doch die Ärzte unverändert verpflichtet, ohne Ansehen der Person und deren Versichertenstatus im Notfall unmittelbar zu helfen. Dagegen fehlt in der Berichterstattung regelmäßig der Hinweis, dass jeder Kassenpatient sich selbst zum Privatpatienten machen und dessen Vorrechte nutzen kann. Der Wahltarif Kostenerstattung und eine private Zusatzversicherung machen es möglich. Das kostet allerdings mehr. Aber alles zum Nulltarif, das geht auch im Gesundheitswesen nicht.
Die Gier nach Macht – und Produktion
Aber die PKV bietet noch viel mehr Angriffsflächen. Ohne Frage kein Ruhmesblatt ist, was Mehmet Göker und manche Krankenversicherungs-Manager in der Dokumentation „Der Versicherungsvertreter“ des Journalisten Klaus Stern präsentieren. „Gier frisst Hirn“ wird offen und ohne jedes Unrechtsbewusstsein zelebriert. Der Vertrieb zeigt seine hässliche Seite, in der es um Macht, Geld, Ausbeutung von Menschen und das Ausleben von Trieben geht. Mittel zum Zweck ist die Produktionsleistung, die mit allen möglichen Mitteln angereizt wird, bis die fehlende Nachhaltigkeit in Millionen-teuren Pleiten offensichtlich wird.
Die betroffenen PKV-Unternehmen hatten offensichtlich nicht aus dem Wirtschaftskrimi gelernt, den die Branche vor rund 20 Jahren erlebte. Damals nutzen die Herren Schmidt-Tobler und Zantop die Gier der Lebensversicherungs-Manager aus und verdienten eine bis in die heutige Zeit ungeheuerliche Summe Geld. Wie Göker im Film fragt, was denn Unanständiges dabei wäre, angebotenes Geld auch anzunehmen, so verhielten sich auch diese Herren seinerzeit durchaus anreizkonform.
Am Kern vorbeidebattiert
Und noch ein Schlaglicht: Eine jüngst veröffentlichte Studie soll zeigen, dass die PKV weniger leistet als die GKV. Es ist bekannt, dass der Leistungskatalog der PKV einige Leistungen nicht kennt, die bei Krankenkassen erhältlich sind.Und es ist unverständlich, dass diese Leistungen nicht längst in den Leistungskatalog neu aufgelegter Vollversicherungstarife aufgenommen wurden, wo sie doch im Basistarif enthalten sind. Hier eröffnet die Branche unnötige Flanken.
Doch keine Reichen-Versicherung
Wenn keine sachlichen Argumente mehr gegen die privatwirtschaftlich organisierte Gesundheitsversorgung vorliegen, greift man in der politischen Debatte gerne auch einmal zu anderen Mitteln. Dazu gehört, der PKV ihre Versichertenstruktur und das Versicherungsprinzip der Risikoselektion vorzuwerfen und sie in Bausch und Bogen als Versicherung der Reichen zu diffamieren.
Das jedenfalls schließt das Wissenschaftliche Institut der PKV in einer aktuellen Untersuchungen aus Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008. Man wusste zwar auch bisher schon, dass fast die Hälfte der Vollversicherten Beamte und Pensionäre sind, die man größtenteils nicht zu den Besserverdienenden rechnen kann.Doch die Daten des Statistischen Bundesamtes aus einer Befragung einer großen Zahl von Haushalten müssten insbesondere denen zu denken geben, die Privatversicherte für Millionäre halten. 77,7 Prozent der volljährigen Vollversicherten erzielen ein Einkommen unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Wenig Selektion, wenig Systemwettbewerb
Hochgerechnet nur 1,7 Millionen Versicherte liegen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Selbst wenn man alle Beamten, Pensionäre, Schüler etc. ausschließt, bleiben 2,4 Millionen Angestellte und Selbstständige übrig. Das heißt, dass wahrscheinlich insbesondere unter den Selbstständigen ein hoher Anteil ebenfalls nicht zu den Besserverdienenden gehört, wenn man die Grenze mit der Jahresarbeitsentgeltgrenze gleichsetzt.
Auch weitere Indizien sprechen dafür, dass die Sozialstruktur der PKV-Versicherten sich nicht so gravierend von derjenigen der Gesamtbevölkerung unterscheidet, wie es in der Diskussion teilweise dargestellt wird. Das kann auch gar nicht sein, denn die PKV ist in ihren Möglichkeiten der Risikoselektion stark begrenzt. Es gibt eben kaum Systemwettbewerb, sondern eher starre und sachlich kaum mehr begründbare, willkürliche Systemgrenzen, die der Gesetzgeber zu verantworten hat.
Es ist gut, wenn der ideologische Nebel ein wenig gelichtet und die Menschen in den Blick genommen werden, die sich mit ihrem kostenbaren Gut Gesundheit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben einem Versicherer anvertraut haben. Dieses Vertrauen ein Leben lang zu rechtfertigen setzt voraus, dass auch der Versicherer selbst Vertrauen genießen kann. Dazu muss die Debatte fundierter, sachlicher begründet und vor allem mit einem Vertrauensvorschuss geführt werden.
Bild: Techniker Krankenkasse
Autor(en): Matthias Beenken