Oh wie schön war Panama - heute ist leider Corona

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Eigentlich sollte die frohe Botschaft bei der R+V-Bilanzpressekonferenz lauten: „Neuer Rekord bei den Beiträgen, mehr Kunden und Mitarbeiter sowie weniger Schäden aus Naturgefahren". Also im Gesamten ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2019 – wenn da nicht die aktuelle Corona-Krise wäre, die den Blick der R+V-Verantwortlichen in den Rückspiegel wehmütig werden ließ.

Die R+V ist ein genossenschaftlicher Versicherer und hat bereits vor der Corona-Krise eine Werbekampagne aufgesetzt, um ihren genossenschaftlichen Charakter zu betonen. Deren Motto: „R+V - Du bist nicht allein“. Ein Slogan wie geschaffen für die aktuelle Lage und auch der Tenor auf der jüngsten Bilanz-PK. 

 „In schwierigen Zeiten füreinander da sein“, so das Mantra der Genossen bei der Pressekonferenz. Ihren Privat- und Firmenkunden will  der Versicherer daher in allen Sparten diverse Hilfen bei finanziellen Problemen und Unterstützung bieten, die die negativen Auswirkungen der Corona-Krise lindern sollen, so jedenfalls die vollmundige Botschaft des R+V-Chefs Norbert Rollinger bei der gestrigen Bilanz-Pressekonferenz - per Telefon natürlich.

Die Hilfsangebote im Detail:
Bei Sparverträgen zum Vermögens-und Vorsorgeaufbau gewährt die R+V zinslose Stundungen bis zu einer Dauer von sechs Monaten. Diese Regelung soll zunächst bis zum 30. Juni 2020 gelten. Für Kunden mit finanziellen Schwierigkeiten schafft der Versicherer „individuelle Lösungen“. Wie diese genau aussehen können, konnte das Unternehmen noch nicht genau skizzieren.

Viele Zulassungsstellen sind aus gegebenem Anlass geschlossen oder haben nur noch eingeschränkte Öffnungszeiten. Aus diesem Grund bietet die R+V ihren Kfz-Firmenkunden bis zum 30. April 2020 eine beitragsfreie Ruheversicherung, ohne dass das Fahrzeug stillgelegt werden muss. Und für Firmenkunden mit gutem Schadenverlauf wurde die jährliche Gewinnbeteiligung vorgezogen. 

Alle Produktlinien stehen weiterhin zur Verfügung

Auch bei ihrer Warenkredit-und Kautionsversicherung sendet die R+V positive Signale an ihre Kunden: So will der Versicherer übernommene Risiken generell nicht einschränken oder reduzieren. Alle Produktlinien und deren bedingungsgemäße Leistungen stünden weiterhin zur Verfügung.

Die Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte soll um diverse Serviceleistungen erweitert werden und zwar um telemedizinische (zum Beispiel Video-Beratung) und telefonische Beratungen (zum Beispiel Notrufzentrale) sowie die Unterstützung oder Vertretung von erkrankten ärztlichen Kollegen (zum Beispiel Praxisvertretung) einbeziehen.

Die R+V hat schon seit geraumer Zeit auf ihrer Agenda, baldmöglichst auf Telemedizin zu setzen. Ein Angebot, das in der aktuellen Krise sicher großen Zuspruch finden wird. Ab morgen bietet der Wiesbadener Versicherer über seinen Partner Teleclinic eine Plattform für telemedizinische Behandlungen an. Dabei vermittelt die Teleclinic GmbH einen digitalen Gesprächstermin bei einem Arzt aus ihrem Ärztenetzwerk. So können Ansteckungen im Wartezimmer vermieden werden. Ab 15. April 2020 soll es über diesen Kanal sogar ein kostenloses Angebot für Arztgespräche zum Thema Corona geben.

Aktienquote aktuell unter sechs Prozent

Wie die konjunkturelle und die Entwicklung an den Kapitalmärkten aussehen wird, sei aktuell nicht wirklich absehbar. Insgesamt könnte eine längerfristige wirtschaftliche Eintrübung aber dazu führen, dass versicherter Risiken wegfielen, es zu Vertragsbeendigungen oder Beitragsfreistellungen käme. Die R+V will ihre Kunden hier aber umfassend beraten. Der Versicherer selbst hat schon sein Aktieninvestment zurückgefahren, so hat er für 1,4 Milliarden Euro Aktien abgebaut, so dass die Aktienquote der R+V aktuell unter sechs Prozent liegt.

„Das Auf und Ab an den Börsen wird uns sicher belasten“, kommentierte der R+V-Vorstandsvorsitzende Norbert Rollinger die aktuell schwierige Lage. „Wir sind dauerhaft im Gespräch mit der Politik. Die Rezession ist bereits eingetreten, es ist nur noch eine Frage der Tiefe. Diese Situation kann uns sicher empfindlich zurückwerfen“, befürchtet Rollinger. Aber trotzdem sei sein Unternehmen sehr bestrebt, die Linien aufrechtzuerhalten.

Lebensversicherungsgeschäft liefert mit 20,1 Prozent eine schöne Zahl

Dabei hatte das Jahr 2019 dem Versicherer größtenteils erfreuliche Zahlen beschwert, „überall ordentliche Wachstumsraten, die mal noch einmal genießen sollte“, so Rollinger wehmütig. Auch das erste Quartal 2020 hätte noch positive Werte geliefert. Vor allem das Lebensversicherungsgeschäft hätte mit 20,1 Prozent schöne Zuwächse geliefert, hätte das Unternehmen einen guten Jahresstart hingelegt. Rollingers Fußnote dazu: „Wir sind mit einem guten Puffer ausgestattet, wir sind gut gerüstet. Ich sage das so gerne nochmal.“ Doch Corona kann diesen positive Einstieg ins neue Geschäftsjahr natürlich mächtig vermasseln. Doch in solchen Zeiten ist guter Zuspruch, auch an die eigene Adresse, sicher essentiell wichtig.

Zahlenbeispiele für 2019: Die Beitragseinnahmen der R+V Gruppe beliefen sich auf 18,3 Milliarden Euro (+8,4 Prozent), bei Lebens- und Pensionsversicherung hätten die Beitragseinnahmen erstmals bei über acht Milliarden Euro gelegen, der Kfz-Bestand wurde um 244.000 Fahrzeuge auf insgesamt 4,7 Millionen Fahrzeuge ausgebaut.

Besonders erfreulich sei aber vor allem das Wachstum bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Hier könne sein Haus neue Höchststände vorweisen, genau 2.649.000 Millionen Euro Beitragseinnahmen. Vor allem Lebensarbeitszeitkonten würden die Kunden verstärkt nachfragen. Aber selbst die klassische Lebensversicherung lieferte der R+V wohl noch gutes Geschäft: 2.489.000 Euro im Geschäftsjahr 2019.

Auch die „neue Garantien“ seien im vergangenen jahr weiter stark nachgefragt geworden, füllten die Kasse des Versicherers im Vergleich zu den klassischen Policen aber nur mit 1.715.000 Euro.

Italien-Geschäft um nahezu 14 Prozent gewachsen

Auch für das Italien-Geschäft konnte Rollinger erfreuliche Zahlen liefern. Ein Wachstum von nahezu 14 Prozent konnte der Vorstandsvorsitzende hier vermelden. Doch da Italien im europäischen Raum neben Spanien am stärksten von der Pandemie betroffen ist, ist eine derartige positive Weiterentwicklung im laufenden Geschäftsjahr wohl mehr als fraglich.

Für ihren angestellten Außendienst und ihre Generalagenturen hat die R+V Liquiditätssicherende Maßnahmen eingeleitet, so ist der Versicherer zum Beispiel bereit, auf Rückforderungen von Provisionen zu verzichten. Bei Maklern könnten Rückforderungen gestundet werden.

Großteil der Mitarbeiter nun im Homeoffice

Sein Haus würde aktuell auch mit den politisch Verantwortlichen darüber verhandeln, ob es doch möglich sei, für Betroffene der Betriebsschließungsversicherungen, „die (angeblich) keinen Versicherungsschutz haben sollen“, ein Solidaritätsfond einzurichten. Branchenkenner schlagen hier eine Summe von 200 Millionen Euro vor (siehe hierzu den Kommentar von Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler).

Seit gestern läuft die R+V im so genannten Notbetrieb. Für das Unternehmen heißt dies genau: 16.500 Mitarbeiter arbeiten aktuell für das Versicherungsunternehmen, nur 452 Menschen sind noch an den Standorten vertreten, der Rest arbeitet von zuhause aus. „Im Homeoffice zu arbeiten, ist – für uns alle – eine Herausforderung. Aber wir ziehen alle an einem Strang", betont Rollinger gern.

4.000 Agenten sollen digital unterschreiben können

Auch bei der R+V wurden zahlreiche Personen auf Corona getestet, davon 20 positiv, fünf seien aber bereits wieder genesen. Die betroffenen Personen seien in erster Linie Rückkehrer aus Krisengebieten.

Positiver Aspekt der Pandemie: Die Krise forciert die Digitalisierungsanstrengungen des Versicherers. So sollen baldmöglichst alle rund 4.000 Agenten eine digitale Unterschrift leisten können. Dabei hat die R+V die Zukunft schon fest im Blick und verbreitet Zweckoptimismus: „Nach der Krise haben wir einen Sprung nach vorne geplant“. Ganz nach dem neuen Motto der Genossen: „Was einer nicht alleine schafft, das schaffen viele.“ Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Autor(en): Meris Neininger

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