Nachhaltigkeit - was Vermittler jetzt tun müssen

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Die Delegierte Verordnung (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor tritt am 10. März 2021 in Kraft. Allerdings fehlen noch sowohl die Technischen Regulierungsstandards, die Details zur Umsetzung enthalten, als auch eine Anpassung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 zum Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten (siehe auch Titelgeschichte in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Versicherungsmagazin). Beides sollte aber nicht davon abhalten, sich mit der Offenlegungsverordnung zu befassen und erste Entscheidungen zu treffen.

Ziel der Verordnung ist, die "Agenda 2030" der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung der Welt zu unterstützen. Darin geht es keineswegs nur um die Bekämpfung des Klimawandels. In 17 Zielen werden Themen wie die Armutsbekämpfung, die Bildung, die Gleichstellung der Geschlechter, nachhaltiges Wirtschaften, Produzieren, Konsumieren, globale Partnerschaften und eben auch Umweltschutz und nachhaltige Energieerzeugung angesprochen. Anlagen sollten daher auch den so genannten ESG-Kriterien entsprechen.

Als nachhaltig wird im Sinn der Offenlegungs-Verordnung eine Anlage angesehen, wenn sie in Unternehmen und Aktivitäten investiert, die zu Umweltzielen wie zum Beispiel Ressourceneffizienz bei Energie, Roh- und Wertstoffen, Wasser und Boden beitragen. Aber auch soziale Ziele zur Bekämpfung von Ungleichheiten und Integration sowie gute Unternehmensführung in den Bereichen "solides Management", Beziehungen zu Arbeitnehmern, Vergütung oder "Einhaltung der Steuervorschriften" sollen belohnt werden. Ob das bedeuten soll, dass schon jedes Unternehmen als nachhaltig gibt, dass brav seine Steuern zahlt, mag man bezweifeln.

Bewertungen helfen der Praxis

Der Fachbuchautor Per Protoschill (Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien von Lebensversicherungsprodukten, 2020 Verlag Versicherungswirtschaft) weist auf die Risiken hin, empfiehlt aber, sich an „exemplarischen Vorgaben und Detaillierungen von Verbänden und Aufsichtsbehörden (zu) orientieren“. Auch kommen zunehmend Ratings und andere Bewertungen auf den Markt (zum Beispiel: Branchen-Initiative "Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung" ist gestartet, Sustainable Award in Finance: Acht Produkte ausgezeichnet)

Die Delegierte Verordnung ist bereits Ende 2019 veröffentlicht worden und wird ohne weiteren, nationalen Gesetzgebungsakt wirksam. Kritisch kann man daran sehen, dass die Europäische Union zunehmend mit solchen Verordnungen Rechtsetzung betreibt, ohne dass die davon Betroffenen davon immer wissen. Beispielsweise enthält die verbreitete Beck´sche Sammlung des Versicherungsrechts VersR nur Hinweise auf die mittlerweile zahlreichen europäischen Verordnungen und Leitlinien, aber nicht die Texte dazu - es ist einfach zu viel.

Um welche Vermittler und welche Produkte es geht

Betroffen von der Offenlegungs-Verordnung sind unter dem Oberbegriff Finanzberater auch Versicherungsvermittler, wenn sie über Versicherungsanlageprodukte beraten. Allerdings sind insgesamt "Finanzprodukte" angesprochen, zu denen die EU nicht nur Versicherungsanlageprodukte (IBIP) zählt, also ungeförderte Schicht 3-Lebens- und Rentenversicherungen, sondern namentlich auch "Altersvorsorgeprodukte". Kurz gesagt sind alle Vermittler von Lebensversicherungen – private wie betriebliche Altersvorsorge – betroffen.

Die Verordnung schließt kleine Vermittlerbetriebe mit weniger als drei Mitarbeitern aus. Ob es im Wettbewerb ein Vorteil ist, seinen Kunden als kleiner Vermittlerbetrieb weniger zu bieten als die größeren, ist aber eine ganz andere Frage. Diese Blöße sollten sich Vermittler nicht geben.

Homepage ergänzen

Die wichtigste Neuerung für Vermittler ist eine Veröffentlichungspflicht auf der eigenen Internetseite: "Finanzberater veröffentlichen auf ihren Internetseiten Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei ihren Anlageberatungs- oder Versicherungsberatungstätigkeiten verfolgen." Dabei muss nicht jeder Vermittler angeben, Nachhaltigkeit in seiner Beratung zu berücksichtigen, sondern kann auch angeben, dies nicht zu tun.

Wenn angegeben wird, Nachhaltigkeitsfaktoren zu berücksichtigen, muss die Strategie erläutert werden. Dazu gehört zum Beispiel, das Thema Nachhaltigkeit standardmäßig im Wunsch- und Bedürfnistest anzusprechen und die Methode zu erläutern, mit der die Produktauswahl betrieben wird. Außerdem soll angegeben werden, ob der Vermittlerbetrieb eine nachhaltige Vergütungspolitik betreibt. Welche Vergütungsgestaltungen problematisch sind, findet man in Art. 8 der Delegierten Verordnung 2017/2359. Insbesondere sollten Vergütungen und Anreize nicht einseitig bestimmte Produkte bevorzugen, nicht nur einmalig bei Abschluss fällig sein oder volumenabhängige Zusatzanreize ab bestimmten Schwellenwerten bieten.

Wer vorsichtshalber erst einmal keine Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen will, muss dies ebenfalls auf seiner Webseite angeben und kurz begründen. Möglich und sinnvoll kann sein anzugeben, dass man das zwar im Moment - auch aufgrund der noch fehlenden Technischen Regulierungsstandards der EU - noch nicht tut, aber die Entwicklung beobachtet und zu gegebener Zeit eine Strategie entwickeln wird. Diesen Eintrag sollte man allerdings dann nicht die nächsten zehn Jahre stehen lassen, sondern am besten einmal im Jahr prüfen und an die Entwicklung anpassen.

Vorbild sein überzeugt die Kunden

Vermittler sollten in ihrem eigenen Betrieb prüfen, inwieweit Nachhaltigkeit dort bereits eine Rolle spielt. Umweltschutz fängt beim Dienstwagen mit der Vermeidung unnötiger Fahrten und unnötiger Emissionen an und setzt sich im Büro fort. Soziale Belange betreffen die Führungsqualitäten, aber auch zum Beispiel die Bereitschaft Tariflöhne zu zahlen oder Behinderten eine Beschäftigungschance zu geben. Die Vergütungen wurden schon erwähnt. Eine gute Unternehmensführung (Governance) könnte langfristige Ziele oder das Bekenntnis zu einem Verhaltenskodex zum Beispiel demjenigen des Vereins Ehrbarer Versicherungskaufleute oder eines Vermittlerverbands umfassen.

Wichtig ist, sich überhaupt mit Nachhaltigkeitsfaktoren auseinanderzusetzen. Wer Mitarbeiter beschäftigt, sollte daraus eine Teamaufgabe machen - ein erster Schritt, das "S" in ESG ernst zu nehmen. Wer den Nachhaltigkeitsgedanken selbst lebt, wird auf Kunden viel überzeugender wirken.

Autor(en): Matthias Beenken

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