Wie kann ich als Vermittler mich und mein Unternehmen zukunftsfähig machen, wie kann der Beruf des Vermittlers (wieder) attraktiv werden, auch für junge Studierende? Wie kann die digitale Entwicklung dabei unterstützend wirken? Wichtige Antworten auf diese existenziellen Fragen lieferten Vertriebsexperten auf dem Kongress „Unternehmertum“ auf der DKM. Erfolgsvergütungen dürfen hier aber nicht als Hebel dienen, so der einhellige Tenor.
„Wenn Erfolgsvergütungen beim Umsatz bis zu 100.000 Euro ausmachen, dann ist das grenzwertig“, echauffierte sich Andreas Vollmer, Vize-Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), bei einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Was macht Vermittler zukunftsfähig?“ beim Kongress „Unternehmertum“ auf der diesjährigen DKM in Dortmund. Dieses unschöne Ergebnis hatte unter anderem die BVK-Strukturanalyse 2018/2019 des Bundesverbandes und der Fachhochschule Dortmund ergeben. Kein guter Trend für die Branche. Doch im gleichen Atemzug stellte sich Vollmer auch vor die Vermittler und monierte, dass mit fünf Prozent Courtage ein auskömmliches Leben natürlich nicht möglich sei. Vielfacher Applaus quittierte diese Aussage.
Til Schweiger macht Bonifikationen unmöglich – kleiner Scherz
Vollmer hatte diese Kritik an einen anderen Teilnehmer in der Diskussionsrunde gerichtet, Angelo Rohlfs, Vertriebsvorstand der VHV Allgemeine Versicherung AG. Dieser versuchte gelassen zu parieren, gab nickend zu, dass sein Haus nicht für hohe Provisionszahlungen bekannt sei und witzelte mit den andern Diskutanten darüber, dass sein Haus eben zu viel für seinen Werbeträger Til Schweiger zahlen müsse. Wurde aber wieder ernst und verwies darauf, dass sein Unternehmen bei Boni-Zahlungen unverdächtig sei und konkretisierte:
„Wir haben alle früheren Bonifikationen gekündigt und bieten nur noch ein einheitliches Bonifikationsmodell an. Wenn bei unseren Einnahmen etwas hängenbleibt, dann wird es an unsere Makler verteilt“.
Was steht nochmals im Versicherungsaufsichtsgesetz?
„Die Vertriebsvergütung von Versicherungsunternehmen und deren Angestellten darf nicht mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln, kollidieren. Versicherungsunternehmen dürfen keine Vorkehrungen durch die Vertriebsvergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen, durch die Anreize für sie selbst oder Versicherungsvermittler geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl sie ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnten.“
Dieser Passus ist in § 48a Abs. 1 VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) zu finden. Dieses Zitat steht auch am Anfang der BVK-Strukturanalyse 2018/2019 von Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute und der Fachhochschule Dortmund. Die anschließenden Charts der Studie verdeutlichen, dass viele in der Branche diesen Grundsatz wohl geflissentlich ignorieren. So sind in der Ausschließlichkeit Zuschüsse/Erfolgsvergütungen wohl Standard.
So erhalten zum Beispiel 23,5 Prozent der befragten Einfirmenvertreter bis zu fünf Prozent Erfolgsvergütungen. 36,1 Prozent der Mehrfachvertreter und sogar 71,4 Prozent der Makler erhalten diese bis zu fünf Prozent hohen Zuschüsse. Aber es gibt sogar auch Fälle, in denen 20 bis 30 Prozent Erfolgsvergütungen bezahlt werden, dies ist bei 10,4 Prozent der Einfirmenvertreter der Fall, bei 5,6 Prozent der Mehrfachvertreter und bei 7,1 Prozent der Makler.
Unschöne Aussichten: Verlust einfahren statt Gewinn verbuchen
Doch die Studie zeigt auch, dass es bei vielen Vermittlern wohl ohne Zuschüsse und Erfolgsvergütungen kaum mehr geht: Drei Prozent der AO-Vertreter und acht Prozent der Makler/Mehrfachverterter würden sonst Verlust einfahren statt Gewinn verbuchen. Und die jährlichen Gewinne würden absolut um 21 Prozent beziehungsweise 14 Prozent sinken. Keine schönen Aussichten.
Vertrieb muss neu gedacht werden – dies fordern die Jungen
Diese wenig rosigen Aussichten trüben auch die Stimmung unter den Studierenden, so die Erfahrung von Beenken, der schon viele Jahre an der Fachhochschule Dortmund lehrt. „Der Vertrieb ist bei den Studenten nicht sonderlich beliebt“, weiß der Wissenschaftler. Doch dies habe nicht nur mit der finanziell schwierigen Situation zu tun, sondern auch weil sich die Ansprüche der potenziellen Nachfolger gewandelt habe. Darauf müssten die Versicherer und die Verbände reagieren und müssten das Berufsbild den neuen Gegebenheiten anpassen.
Dieser Aufforderung schloss sich Vollmer an, verwies dabei vor allem auf die Chancen der Digitalisierung, die stärker in den Blick rücken müssten. Hier seien auch alle Altersgruppen gefordert, aktiv zu werden und Ängste abzulegen. Gleichzeitig sei der Faktor Mensch aber nicht zu vernachlässigen. „Welche Berufe wird es in Zukunft überhaupt noch geben? Diese Frage wird immer wichtiger. Aber Berufe, die den Menschen im Mittelpunkt haben, werden aber auf jeden Fall wichtig bleiben.“ Und hier sei der Beruf des Vermittlers das beste Beispiel dafür. Also Blick nach vorne und Kopf hoch.
Berufsbild so bunt wie die ganze Gesellschaft
In die gleiche Kerbe schlug auch der Vollblutvertriebler Rohlfs: „Wir machen einen notwendigen und aufregenden Job. Unser Berufsbild ist so bunt wie die ganze Gesellschaft, aber wir machen immer wieder einen Kotau vor der Gesellschaft“. Den VHV-Mann nervt die ständige Aufforderung, über den (schlechten) Ruf des Berufsstandes zu reden, die Attraktivität des Berufsstandes in Frage zu stellen, das merkte man deutlich.
Und dann setzte er noch einen drauf: „Ärzte und Apotheker diskutieren auch nicht immer über die Attraktivität und den Ruf des eigenen Berufszweiges. Und Bonifikationen gibt es auch bei Investmentbankern und auch bei Reedereien gibt es Saufgelage!“
Finanzwissen auch schon in der Schule vermitteln
Ein guter und produktiver Vorschlag, wie die Finanzdienstleistungsbranche in Zukunft mehr gesellschaftliche Akzeptanz erfahren könnte und sich auch mehr junge Menschen für einen Einstieg in diese Branche entscheiden würden, kam am Ende der Diskussionsrunde „Was Vermittler zukunftsfähig macht“ aus dem Publikum, von einem Studenten der FH Dortmund. Seine Idee, nicht ganz neu, aber immer wieder auf der Agenda und leider doch nur bloße Theorie: Die Themen Banken und Versicherungen sollte schon in den Schulplänen zu finden sein, sollte Schülern schon früh vermittelt werden, damit die späteren Erwachsenen nicht zu Finanz-Alphabeten verkommen und mit ihrem späteren Finanzberater auf Augenhöhe verhandeln können.
Dann müssen auch Versicherungsvermittler den von Rohlfs kritisierten Kotau nicht mehr vollführen und begegnen ihren Kunden als vertrauensvolle Partner. Und dann muss vielleicht auch nicht mehr das Versicherungsaufsichtsgesetz als Mahnung herangezogen werden.
Autor(en): Meris Neininger