Die Europäische Zentralbank wird ab Mitte dieser Woche den Leitzins auf ein neues Tiefstniveau von nur noch 0,25 Prozent senken. Die Lebensversicherung, die jahrzehntelang als Rendite-Joker verkauft wurde, muss endlich neu entdeckt werden.
Die erneute Senkung des Leitzinses auf ein fast schon nicht mehr wahrnehmbares Niveau wurde Medienberichten zufolge umgehend auch von der Versicherungswirtschaft kritisiert. Damit ist absehbar, dass die Umlaufrenditen weiter sinken werden, an die wiederum der Garantiezins gekoppelt wird. Haben die Versicherer jetzt schon bei 1,75 Prozent Garantiezins Mühe, eine Rückzahlung der eingezahlten Beiträge nach Abzug der Kosten zuzusagen, wird dies bei einer erneuten Senkung für die Mehrheit der Versicherer unmöglich.
Positiv kann man dagegen halten, dass mit den niedrigen Zinsen auch die Inflation sinkt. Das heißt, dass bei langfristigen Sparzielen wie für die Altersvorsorge weniger Entwertung eingeplant werden muss.
Renditewettbewerb verschleiert den Blick auf den Produktnutzen
Dennoch machen die sinkenden Zinsen ein Dilemma sichtbar: Die Versicherungsbranche und der Vertrieb haben über Jahrzehnte gut davon gelebt, den Kunden die Lebensversicherung als Anlageprodukt zu verkaufen. Die Folge davon ist, dass die Rendite scheinbar das Entscheidungskriterium schlechthin ist. Damit konnten andere Anlageformen im Wettbewerb herausgefordert werden.
Allerdings hat die Rendite als Entscheidungskriterium inzwischen auch den Fokus auf die Kosten des Produkts gelegt. Diese werden mindestens als intransparent, aber auch als sehr hoch kritisiert. Die Transparenz ist zwar inzwischen in wichtigen Teilen mit der Kostenoffenlegung hergestellt, aber die Kritik dennoch nicht abgerissen.
Die Biometrie wiederentdecken
Eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck einer Lebensversicherung könnte helfen. Denn deren „Rendite“ ist eigentlich nur dann hoch, wenn der Kunde einer Kapitallebensversicherung möglichst schnell verstirbt und die Todesfallleistung frühzeitig in Anspruch nimmt. Der Rentenversicherte dagegen macht „Rendite“, wenn er Jopi Heesters Konkurrenz macht und uralt wird. Die Beispiele zeigen, dass das Renditedenken offensichtlich Unsinn ist.
Es mag in Vergessenheit geraten sein, aber Versicherung hat etwas mit Risiken zu tun, die im Kollektiv und in der Zeit tragbar gemacht werden. Das ist beispielsweise das Risiko, frühzeitig zu versterben und Hinterbliebene versorgen zu müssen, denen das Einkommen des Verstorbenen fehlt. Dieses Risiko kann der Versicherte ohne weiteres individuell tragen, indem er von Beginn an ein entsprechend hohes Vermögen für einen jahrelangen Einkommensersatz besitzt und unangetastet auf die Seite liegen lässt. Die vielen Kunden, die kein solches Vermögen besitzen, haben dafür den kollektiven Schutz als Alternative.
Kollektiv- oder Individualsparen
Das andere Risiko ist dasjenige, sehr alt zu werden und deshalb nach dem Verbrauch des Vermögens in die Altersarmut zu fallen. Auch hier gilt die gleiche Regel: Der Kunde kann sich gegen das Risiko selbstverständlich allein mit Sparanlagen schützen, vorausgesetzt, er spart ein so hohes Vermögen an, dass es notfalls bis Alter 108 und mehr reicht.
Doch auch hier ist es wieder für eine große Mehrheit der Kunden unmöglich, derartige Vermögen anzusparen. Wieder lautet die Alternative, sich im Kollektiv mit anderen Kunden zusammenzuschließen, die das gleiche Risiko und die gleiche Knappheit eigenen Vermögens teilen – aber gemeinsam nur bis zu ihrer durchschnittlichen, statistischen Lebenserwartung sparen müssen. Solche Kollektive sind zudem zutiefst solidarisch – alle sparen in der Kapitallebensversicherung für den einen, der früh stirbt, und alle sparen in der Rentenversicherung für den einen, der Jopi Heesters noch überlebt.
Kollektivmodell für Einzelnen preiswerter
So betrachtet spielt die Höhe einer Garantie- und einer Gesamtverzinsung auf einmal eine völlig untergeordnete Rolle. Selbst ohne jeglichen Zins wäre das Kollektivmodell für den Einzelnen preiswerter als der Versuch, ein ausreichend hohes Vermögen selbst anzusparen.
Es wird sicher dauern, diese alte Idee der Versicherung heutigen Generationen wieder bewusst zu machen. Der Versuch wäre aber lohnenswert, um sich endlich von der Wand zu lösen, an der die Branche mit dem Rücken steht.
Bildquelle: © Gerd Altmann/
Die erneute Senkung des Leitzinses auf ein fast schon nicht mehr wahrnehmbares Niveau wurde Medienberichten zufolge umgehend auch von der Versicherungswirtschaft kritisiert. Damit ist absehbar, dass die Umlaufrenditen weiter sinken werden, an die wiederum der Garantiezins gekoppelt wird. Haben die Versicherer jetzt schon bei 1,75 Prozent Garantiezins Mühe, eine Rückzahlung der eingezahlten Beiträge nach Abzug der Kosten zuzusagen, wird dies bei einer erneuten Senkung für die Mehrheit der Versicherer unmöglich.
Positiv kann man dagegen halten, dass mit den niedrigen Zinsen auch die Inflation sinkt. Das heißt, dass bei langfristigen Sparzielen wie für die Altersvorsorge weniger Entwertung eingeplant werden muss.
Renditewettbewerb verschleiert den Blick auf den Produktnutzen
Dennoch machen die sinkenden Zinsen ein Dilemma sichtbar: Die Versicherungsbranche und der Vertrieb haben über Jahrzehnte gut davon gelebt, den Kunden die Lebensversicherung als Anlageprodukt zu verkaufen. Die Folge davon ist, dass die Rendite scheinbar das Entscheidungskriterium schlechthin ist. Damit konnten andere Anlageformen im Wettbewerb herausgefordert werden.
Allerdings hat die Rendite als Entscheidungskriterium inzwischen auch den Fokus auf die Kosten des Produkts gelegt. Diese werden mindestens als intransparent, aber auch als sehr hoch kritisiert. Die Transparenz ist zwar inzwischen in wichtigen Teilen mit der Kostenoffenlegung hergestellt, aber die Kritik dennoch nicht abgerissen.
Die Biometrie wiederentdecken
Eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck einer Lebensversicherung könnte helfen. Denn deren „Rendite“ ist eigentlich nur dann hoch, wenn der Kunde einer Kapitallebensversicherung möglichst schnell verstirbt und die Todesfallleistung frühzeitig in Anspruch nimmt. Der Rentenversicherte dagegen macht „Rendite“, wenn er Jopi Heesters Konkurrenz macht und uralt wird. Die Beispiele zeigen, dass das Renditedenken offensichtlich Unsinn ist.
Es mag in Vergessenheit geraten sein, aber Versicherung hat etwas mit Risiken zu tun, die im Kollektiv und in der Zeit tragbar gemacht werden. Das ist beispielsweise das Risiko, frühzeitig zu versterben und Hinterbliebene versorgen zu müssen, denen das Einkommen des Verstorbenen fehlt. Dieses Risiko kann der Versicherte ohne weiteres individuell tragen, indem er von Beginn an ein entsprechend hohes Vermögen für einen jahrelangen Einkommensersatz besitzt und unangetastet auf die Seite liegen lässt. Die vielen Kunden, die kein solches Vermögen besitzen, haben dafür den kollektiven Schutz als Alternative.
Kollektiv- oder Individualsparen
Das andere Risiko ist dasjenige, sehr alt zu werden und deshalb nach dem Verbrauch des Vermögens in die Altersarmut zu fallen. Auch hier gilt die gleiche Regel: Der Kunde kann sich gegen das Risiko selbstverständlich allein mit Sparanlagen schützen, vorausgesetzt, er spart ein so hohes Vermögen an, dass es notfalls bis Alter 108 und mehr reicht.
Doch auch hier ist es wieder für eine große Mehrheit der Kunden unmöglich, derartige Vermögen anzusparen. Wieder lautet die Alternative, sich im Kollektiv mit anderen Kunden zusammenzuschließen, die das gleiche Risiko und die gleiche Knappheit eigenen Vermögens teilen – aber gemeinsam nur bis zu ihrer durchschnittlichen, statistischen Lebenserwartung sparen müssen. Solche Kollektive sind zudem zutiefst solidarisch – alle sparen in der Kapitallebensversicherung für den einen, der früh stirbt, und alle sparen in der Rentenversicherung für den einen, der Jopi Heesters noch überlebt.
Kollektivmodell für Einzelnen preiswerter
So betrachtet spielt die Höhe einer Garantie- und einer Gesamtverzinsung auf einmal eine völlig untergeordnete Rolle. Selbst ohne jeglichen Zins wäre das Kollektivmodell für den Einzelnen preiswerter als der Versuch, ein ausreichend hohes Vermögen selbst anzusparen.
Es wird sicher dauern, diese alte Idee der Versicherung heutigen Generationen wieder bewusst zu machen. Der Versuch wäre aber lohnenswert, um sich endlich von der Wand zu lösen, an der die Branche mit dem Rücken steht.
Bildquelle: © Gerd Altmann/
Autor(en): Matthias Beenken