Lebensversicherer mit einer schlechten Solvenzquote sollten ihr Eigenkapital stärken. Das fordert der Bund der Versicherten (BdV) nach einer umfassenden Auswertung der Solvenzberichte, die die Unternehmen für das Jahr 2019 vorgelegt haben.
Die Analyse zeige, dass die Versicherer im Marktrisiko, bei den Staatsanleihen und der Diversifizierung auf Vorjahresniveau verharren. "In der Kapitalanlagepolitik sind die Unternehmen unbeweglich", sagte BdV-Sprecher Axel Kleinlein bei der Vorstellung der Auswertung in einer Online-Konferenz. Generell habe sich die Solvenzituation der Branche verschlechtert. "16 Gesellschaften weisen eine reine Solvenzquote unter 100 aus", erläuterte Carsten Zielke, der im Auftrag des BdV die Berichte der Versicherer ausgewertet hat.
Run-Off-Gesellschaften sind wenig transparent
Nur durch den Ansatz von Übergangsvorschriften gelingt es, dass der Geschäftsbetrieb solcher Gesellschaften aufsichtsrechtlich zulässig bleibt. Bis 2032 gelten diese Erleichterungen. Sie führen dann zu einer höheren Bedeckung durch Rückstellungen. Diesen Wert nennt der BdV "ausgewiesene" Solvenzquote. Diese liegt aktuell bei allen deutschen Lebensversicherern meist deutlich über 100 Prozent. Trotzdem benötigen nach Meinung von Zielke Unternehmen wie die Frankfurter Leben "unbedingt" eine Kapitalzufuhr. "Mit der aktuellen Kapitalausstattung sehe ich sie in Gefahr", sagte Zielke. Die Unternehmen seien teilweise stark zinsabhängig. Aktiengesellschaften könnten sich über eine Kapitalerhöhung am geregelten Markt mehr Eigenkapital verschaffen; bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit sei dies über ein Nachrangdarlehen möglich.
Besonders kritisch sieht der BdV so genannte Run-Off-Gesellschaften, bei denen es kein Neugeschäft mehr gibt und nur noch der Bestand verwaltet wird. "Bei den Run-Off-Unternehmen sehen wir auch eine sehr geringe Transparenz", so Kleinlein. Die Kunden ständen für diese Unternehmen nicht mehr im Focus. Sie sind in der Regel im Besitz ausländischer Investoren. Daher warnen die Verbraucherschützer davor, dass sie sich bei einer drohenden Insolvenz eines Lebensversicherers viel eher vom Markt zurückziehen könnten, als im deutschen Markt verwurzelte Unternehmen. Sollte es zu einer Insolvenz kommen, würde der betroffene Lebensversicherer in die Auffanggesellschaft Protektor überführt. "Dann würden alle Lebensversicherungskunden in Deutschland leiden", so Analyst Zielke. Nach Meinung des BdV müsste bei einem Insolvenzfall eines Run-Off-Unternehmens auch über die Haftung des Staates "nachgedacht" werden. Immerhin habe die Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Übertragung der Versicherungsbestände genehmigt.
Augen auf bei der Wahl des BU-Anbieters
Kleinlein forderte, dass die BaFin bei problematischen Gesellschaften Gewinnabführungsverträge verbietet, damit die Kunden und nicht die Aktionäre begünstigt würden. Insgesamt ist der Mittelwert der "reinen" Solvenzquote von 2018 auf 2019 um 15,1 Prozent auf 220 gesunken. Bei der "ausgewiesene" Solvenzquote" lieg das Minus bei 17,9 Prozent. Die Verbraucherschützer lobten aber auch die positive Entwicklung einiger Gesellschaften. So hätten sich die Werte der Run-Off-Gesellschaft Athora und des regulär am Markt aktiven Münchener Vereins durch eine Kapitalerhöhung verbessert. Zudem habe der Münchener Verein nun in Sachwerte investiert. Positiv wird zudem die Verschmelzung der Ergo Vorsorge Leben mit der kapitalstarken Ergo Direkt sowie die Erhöhung des erwarteten Neugeschäfts bei der Zurich bewertet.
Kunden die aktuell eine Risikoleben- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung abschließen, sollten bei der Auswahl des Anbieters darauf achten, dass er nicht in der Vergangenheit viel Spargeschäft betrieben habe. Dann würden die Überschüsse durch Altgarantien belastet. Kleinlein: "Dann müssen die neuen Kunden möglicherweise für Kalkulationsfehler im klassischen Geschäft aufkommen." Zudem rechnet der Verbraucherschützer damit, dass Versicherer, die hohe Garantielasten haben und ihre Solvenzquote mit vielen Berufsunfähigkeits-Versicherungen verbessern wollen, bei der Risikoprüfung laxer sind. Dann könnten die Policen teurer werden, denn die Überschüsse könnten sich durch viele Schadenfälle reduzieren.
BdV steigt ins Geschäft mit Siegeln ein
Grundsätzlich bestätigt auch die Rating-Agentur Assekurata die Gefahr einer Querverrechnung von Überschüssen und damit eine Belastung der Kunden mit Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Kölner Analysten halten aber die Betrachtung der Garantielast allein für "zu kurz gesprungen". "Entscheidend ist zudem die Ertragskraft des Lebensversicherers", so Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. In der Praxis dürfte es den Kunden zudem sehr schwerfallen, zu erkennen, welches Lebensversicherungsunternehmen eine besonders hohe Garantielast im Bestand hat. Zielführender ist es da, sich an Unternehmensratings zu orientieren.
Mit der Veröffentlichung der "Untersuchung der SFCR-Berichte Deutscher Lebensversicherer 2019" ist der BdV nun in den Siegelverkauf eingestiegen. Die Lebensversicherer können für „Transparenz“ ihres Berichtes eine Auszeichnung in Gold für herausragende Transparenz, Silber für gute Transparenz und Bronze für angemessene Transparenz erwerben. Je nach Größe des Versicherungsunternehmens werden 4.000 oder 5.000 Euro netto fällig. Der BdV betont, dass er mit dem Siegel keinen Gewinn macht und das Geld allein künftigen Analysen der Zielke Research Consult GmbH zugutekommt.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek