"In der Versicherungsbranche ist die Nähe zum Kunden entlang des gesamten Informations- und Entscheidungsprozesses zentraler Wettbewerbsfaktor", lautet die Kernthese des "Insurance Benchmark", den die Unic GmbH 2017 zum vierten Mal veröffentlicht hat.
Die Studienmacher untersuchten, wie kundennah sich die traditionellen Versicherer in der digitalen Welt bewegen. Dazu analysierten sie sieben Schweizer und acht deutsche Schadenversicherer. Um einen Blick auf die Zukunft der Assekuranz zu werfen, wurden auch Insurtechs untersucht.
Emotionale Nähe ist entscheidend
In der digitalen Welt sind nicht mehr die räumliche und zeitliche Nähe sondern vielmehr die emotionale Nähe entscheidend. Je emotionaler ein Versicherer also das Kundenerlebnis in der digitalen Welt gestaltet, desto näher ist er am Kunden.
Die Studienmacher heben hervor, dass sich die untersuchten Unternehmen gegenüber der vorhergegangenen Untersuchung deutlich verbessert haben. Die Kunden seien weiter in den digitalen Fokus und das visuelle Design gerückt. "Allerdings bleibt …bei vielen Versicherern eine stilisierte Hochglanz-Idylle, die den einzelnen Kunden nicht wirklich persönlich abzuholen vermag", lautet die Kritik. Immerhin werden digitale Kommunikationskanäle wie Videoberatung häufiger eingesetzt.
Produktorientierte Ansprache dominiert noch
Verbesserungen sehen die Experten auch bei der Aufbereitung der komplexen Informationen auf den Webseiten. Der Content sei bei den meisten gut strukturiert und das Versicherungsfachchinesisch sei einer verständlichen Sprache gewichen. Den Sprung von einer produkt- zu einer kundenorientierten Ansprache hätten die meisten Versicherer aber noch nicht geschafft.
Die Informationsvielfalt überfordere und verwirre die Verbraucher. Weiterführende Klicks seien häufig schwer durchschaubar. Dies verhindere eine nahtlose Customer Journey. Doch es geht auch anders: Als Vorbilder für eine durchdachte Navigation sehen die Unic-Experten die Axa Schweiz sowie die Zurich Schweiz.
Schadenmeldungen leicht gemacht
Besser aufgestellt zeigen sich die Versicherer bei der Schadenmeldung. Mit schnell auffindbaren und verständlichen Formularen könnten sie beim Kunden punkten und diese mit einer einfachen und transparenten Schadensabwicklung begeistern. Die Allianz Deutschland konnte die Tester mit einem sehr intuitiven Schadenformular überzeugen, das mit Icons visualisiert ist und "den Kunden transparent durch den Meldeprozess begleitet".
"Nirgends wird die Kundennähe stärker unter Beweis gestellt als im Schadenfall", Insurance Benchmark 2017, Unic GmbH
Ein großer Pluspunkt der traditionellen Versicherer sei der Umstand, dass ihre Kunden wüssten, dass der Schritt in die reale Welt nur einen Klick entfernt sei: Die Seite mit den zentralen Kontaktdaten ist bei fast allen Anbietern auf der Website sichtbar und ein Filialfinder unterstützt die Suche nach der richtigen Ansprechperson oder Agentur.
Rosinenpickerei der Neuen
Durch den Eintritt der Start-ups in den Versicherungsmarkt, ist die Branche wachgerüttelt worden. Die "Neuen" könnten mit der Einfachheit ihrer Produkte und Services punkten. Damit seien sie näher an den Bedürfnissen der Kunden und stellten diesen und nicht das Produkt in den Mittelpunkt. Die Customer Journey sei meist simpel, intuitiv aber trotzdem informativ gestaltet und über alle Touchpoints hinweg durchgehalten. Wie ein intuitiver Registrierungsprozess ablaufen könne, zeige sich bei Knip. Auch die lockere Tonalität und das kumpelhafte Du in der Ansprache baue Nähe auf. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil der neuen Player: Durch die Konzentration auf bestimmte Zielgruppen, müssten sie nicht die breite Masse ansprechen und bedienen.
"Aber es ist nicht alles Gold was glänzt", geben die Studienmacher zu bedenken. Zum Teil funktionierten die versprochenen Ansätze der Insurtechs nur bedingt. Und einige Anbieter betrieben aktuell noch zu viel Ankündigungspolitik.
Fazit
Für die Studienmacher ist die Aufbruchsstimmung unter den traditionellen Versicherern deutlich spürbar. Die Unternehmen hätten daran gearbeitet, den Kunden näher zu rücken. Für die nächsten Aktivitäten sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:
Weniger ist mehr - Dieser Grundsatz gelte sowohl für das visuelle Design, das Content Design und die Navigation, sowie für die Gestaltung einfacher interaktiver Services.
Die Customer Journey als Richtschnur - Kunden sollten geführt und im Entscheidungsprozess begleitet werden.
Folgende Versicherer wurden in der Studie analysiert: Allianz Suisse, Axa Winterthur, Basler, Die Mobiliar, Generali (Schweiz) Helvetia Versicherungen Schweiz, Zurich Schweiz, Allianz Deutschland, Alte Leipziger, Axa Deutschland, Ergo Group, Generali Versicherung, Huk-Coburg, R+V Versicherung sowie Signal Iduna. Folgende Insurtechs wurden im Hinblick auf ihre digitale Interaktion mit Endkunden untersucht: esurance, Friendsurance, Insurify, myLucy, Kin, Kip sowie Oscar.
Autor(en): Versicherungsmagazin.de