Mit einem Brandbrief hat sich der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler e.V. (BDVM) , Hans-Georg Jenssen, an die Assekuranz gewandt. Er fordert von der Branche angesichts der Corona-Pandemie verantwortliches und solidarisches Handeln. Wir veröffentlichen sein Statement "Betriebsschließungsversicherung und Corona-Virus - Hier geht es um die Rolle und
Funktion der Versicherungswirtschaft in Zukunft!!" ungekürzt.
Seit Tagen wird auch in den Presseveröffentlichungen die Frage thematisiert, ob die Versicherer im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung leisten müssen oder nicht. Als klare Linie ist erkennbar, dass die meisten Versicherer hier eine ablehnende Haltung einnehmen. Wir sind diesem Standpunkt bereits mit zahlreichen Schreiben an diverse Versicherer entgegengetreten und haben insbesondere darauf verwiesen, dass nach unserer Meinung bereits die Auslegung der Bedingungen eine Einstandspflicht ergibt. Zudem kommt noch der neue § 1 a VVG hinzu, der die Versicherer auch und gerade bei der Schadenabwicklung verpflichtet, im besten Interesse der Kunden zu handeln. Dies führt zu der Frage, ob der Maßstab "im besten Interesse" nicht auch die Auslegung der Bedingungen bestimmt.
Sollte die Versicherungswirtschaft bei ihrer - im Wesentlichen -ablehnenden Haltung bleiben, sind zahlreiche Prozesse über mehrere Instanzen vorprogrammiert. Ob gerade diese Fälle dann auch die Frage der Erfolgsbeteiligung von Anwälten in einem milden Licht erscheinen lassen, ist dann eine weitere Frage. Genauso dürfte eine so genannte Gruppenklage sicherlich nicht das Ereignis sein, welches sich die Versicherungswirtschaft wünschen sollte.
Schlechter Eindruck wird bestätigt
Vordringlich sollte sich für die Versicherungswirtschaft nämlich eine andere Frage stellen: Eine Vielzahl von Kunden, die von der Leistungsablehnung betroffen sind, werden ihr Vorurteil bestätigt sehen, wenn es darauf ankommt, leisten Versicherer eben doch nicht. Gegen diese Sichtweise wird die Versicherungswirtschaft auch mit den besten Argumenten ihrer Aktuare und Versicherungsjuristen kaum gegen ankommen. Von dem erfolgreichen Vertrieb derartiger Produkte nach der Corona-Krise wollen wir überhaupt nicht reden. Viel gravierender ist, dass bei den Kunden, den Bürgern allgemein der Eindruck bleibt, in letzter Konsequenz kann man sich - wie in der Finanzkrise - nur auf den Staat verlassen.
Was können z.B. wir Versicherungsmakler unseren Kunden als Beispiel für eine beispiellose Solidarität der Versicherungswirtschaft für die Wirtschaft und die Bürger mitteilen? Gibt es eine gemeinsame Initiative der Versicherungswirtschaft als Teil der Daseinsvorsorge etwas zu tun, was als Signal für Solidarität in diesen schwierigen Zeiten taugt? Glaubt die Versicherungswirtschaft allen Ernstes, dass die Politik dieses "Wegducken" nicht bemerkt und keine Konsequenzen ziehen wird?
Es steht viel auf dem Spiel!
Wird es leichter für die Versicherungswirtschaft bei der Frage der zukünftigen Ausrichtung der Altersvorsorge - Stichwort Ersatz für Riester (Zulagenrente), sich leichter gegen staatliche Lösungen und/oder z.B. die Deutschlandrente bzw. die Extrarente durch zusetzen? Es steht also viel auf dem Spiel!
Der Unterzeichner hat in den vergangenen Tagen an einer Videokonferenz von BIPAR, der europäischen Interessenvereinigung der Versicherungsvermittler, teilgenommen, auf der aus den einzelnen Ländern berichtet wurde. Dort wurde u.a. von Solidaritätsfonds der Versicherer , z.B. in Frankreich über 200 Mio. Euro, berichtet. Der Unterzeichner konnte von keiner solchen Initiative in Deutschland berichten.
Chance für Solidarität
Wäre es nicht für die Versicherungswirtschaft insgesamt eine Chance, jetzt z.B. zu überlegen, für die Betroffenen der Betriebsschließungsversicherungen, die ja (angeblich) keinen Versicherungsschutz haben sollen, einen solchen Solidaritätsfond über z.B. 200 Mio. Euro aufzulegen. Dann könnte die Versicherungswirtschaft die Auszahlungsregeln vorgeben, z.B. dass kleine Betriebe 75 Prozent der denkbaren Ansprüche eines bestimmten Zeitraums erhalten und größere Betriebe nur 50 Prozent und die maximal Entschädigung überdies gedeckelt wäre. Zahlungen aus diesem Fonds könnten daran geknüpft sein, dass man auf eine klagweise Auseinandersetzung verzichtet. Wäre dies nicht ein sinnvoller Beitrag der Versicherungswirtschaft in der Corona-Krise?
Eine Empfehlung an die Versicherungswirtschaft zum Schluss: Wenn dies ein interessanter Gedanke ist, kommen Sie sofort - in Norddeutschland würde man sagen - in die Pötte. Und eine Empfehlung an den GDV. Die Organisation eines solchen Solidaritätsfonds dürfte wohl kaum an kartellrechtlichen Erwägungen scheitern.
Autor(en): Hans-Georg Jenssen