Small Talk während der Arbeitszeit sehen Chefs nicht gern. Und er kostet Unternehmen auch offenbar Unsummen Geld, rechnet eine US-Studie vor. Warum Firmen diese Kosten dennoch mit Freude tragen sollten.
Wenn die Konzentration nachlässt und der Rücken vom langen Sitzen schmerzt, ist es höchste Zeit für eine kurze Arbeitsunterbrechung. Nicht eben selten schlendern Arbeitnehmende dann in die Teeküche zum Kaffeeautomaten. Doch statt fünf dauert die Pause dann locker 20 Minuten. Denn im Aufenthaltsraum waren auch die netten Kollegen aus dem Erdgeschoss und haben von ihrem Island-Urlaub erzählt.
Der kleine Plausch während der Arbeitszeit kommt Unternehmen teuer zu stehen, wenn diese Auszeit nur von der finanziellen Seite her betrachtet wird. So hat der US-Telekom-Konzern Toll Free Forwarding eine Studie veröffentlicht, der zufolge die US-Amerikaner 118 Minuten pro Tag am Arbeitsplatz plaudern. Das seien im Jahr auf ein mittleres Einkommen umgerechnet etwa 12.000 US-Dollar pro Arbeitnehmer und Jahr, die Unternehmen ihren Angestellten zahlen, damit diese über ihre Freizeit oder Klatsch und Tratsch reden. Rund 2.000 Büroangestellte aus den USA und Großbritannien haben Rede und Antwort gestanden, um diesen Wert zu ermitteln.
Small Talk fördert Team-Zusammenhalt
Small Talk im Büro ist allerdings keine vertane Zeit, fördert die Umfrage zu Tage. 72 Prozent der Befragten finden nämlich, dass der Plausch auf dem Gang die Arbeit erträglicher mache. 40 Prozent sagen sogar, dass sie kündigen würden, sollte der Arbeitgeber den sozialen Austausch während der Arbeit unterbinden. "Small Talk ist der Kleber, der die Angestellten zusammenhält", sagt Psychologin Naomi Murphy: "Wenn der Arbeitsplatz nur ein Ort ist, an dem wir Aufgaben erledigen, führt Unzufriedenheit zu weniger Leistung."
Die Corona-Zeit im Homeoffice hat Beschäftigte gelehrt, wie wichtig das soziale Miteinander ist und wie sehr sie auch Kraft aus dem Socializing im Büro schöpfen, ja sogar Motivation. Homeoffice-Müdigkeit habe sich eingestellt, schreibt Tim Minahan in der Zeitschrift "Digitale Welt". In dem Artikel mit dem Titel "Covid-19 und die Zukunft der Arbeit: Hybride Modelle sind auf dem Vormarsch" führt er aus:
„Das Zwischenmenschliche im Büro, etwa Gespräche an der Kaffeemaschine oder Small Talk auf dem Gang, fällt weg und kann digital nur bedingt aufgefangen werden. Diese physische soziale Entkopplung setzt eine Kettenreaktion in Gang: Mitarbeiter fühlen sich immer mehr von ihren Kollegen und ihrem Team abgeschnitten oder nicht genügend einbezogen. Gleichzeitig steigt die Anzahl an Videokonferenzen, die nachgewiesen mental anstrengender und belastender sind als reale Gespräche. In ihrer Gesamtheit führen diese Faktoren, wie erste Studien bereits zeigen, zu einer schwächer werdenden Arbeitsmotivation und -zufriedenheit."
Ein Plausch motiviert
In diesem Sinne äußern sich auch die in den USA befragten Beschäftigten. So geben mehr als drei Viertel an (77 Prozent), dass Small Talk helfe, die Beziehungen zu Kollegen zu optimieren beziehungsweise aufrechtzuerhalten. Fast drei Viertel (73 Prozent) sagen, auch die Beziehungen zu Kunden verbessern sich durch gepflegtes Geplauder und 67 Prozent sehen bei sich einen positiven Effekt auf ihre Motivation. Es wäre für Arbeitgeber also fatal, die Kommunikationszirkel im Büro abstellen zu wollen. Denn sie sind offenbar der soziale Kitt, der Mitarbeitende bei Laune hält, ihre Arbeitsleistung positiv beeinflusst und Beschäftigte an das Unternehmen bindet.
Im Zusammenhang mit New Work beziehungsweise der Zukunft der Arbeit schreibt Sebastian Wörwag auch, dass Büros um störungsfreie Rückzugsorte ergänzt werden sollten, "welche Entlastung von übersteigertem Druckempfinden schaffen." Gleichzeitig solle "die gewonnene Zeit nicht lediglich in ein Mehr an Arbeit investiert werden, sondern durchaus auch für Ruhephasen, zur Erfüllung von Privatangelegenheiten oder zu einem entspannten Gespräch an der Kaffeemaschine et cetera genützt werden dürfen."
Der Artikel ist ursprünglich auf Springer Professional erschienen.
Autor(en): Andrea Ammerland