Die Zahl der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Nachhaltigkeit nicht nur fordern, sondern auch selbst nachhaltigkeitsbewusst handeln und konsumieren, wächst.
„Derzeit macht die Zielgruppe der 'Aktiv Nachhaltigkeitsbewussten' in Deutschland bereits 42 Prozent aller Haushaltsentscheider aus – Tendenz steigend.“ So ein Ergebnis der Studie Nachhaltigkeit im Fokus. Dafür hat das Marktforschungsinstitut "Rothmund Insights" aus Köln über 1.000 Entscheiderinnen und Entscheider aus deutschen Haushalten im Alter zwischen 18 und 70 Jahren befragt. Spezielle Fragen wurden zum Bereich Versicherungen gestellt. Danach wären 48 Prozent der aktiv nachhaltigkeitsbewussten 30-39-Jährigen bereit, für nachvollziehbar nachhaltige Altersvorsorge-Produkte eine etwas niedrigere Rendite in Kauf zu nehmen.
Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge ein Muss
„Gerade im Bereich der Altersvorsorge sind nachhaltige Produktvarianten für viele Kundinnen und Kunden heute schon ein Muss“, behaupten die Autoren der Studie. Aber auch für die Sparten Sach und Kfz wären „nachhaltige Tarife vorstellbar und attraktiv“. 95 Prozent der Befragten meinen zudem, dass „Nachhaltiges“ beworben werden sollte. Gleichzeitig fürchten aber 75 Prozent Greenwashing, also von Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit getäuscht zu werden.
„Ähnlich wie Digitalisierung ist der Begriff Nachhaltigkeit jedoch zunächst einmal nur ein Schlagwort“, warnt auch Reiner Will von der Rating-Agentur Assekurata. Eine einheitliche Taxonomie, anhand derer Nachhaltigkeit gemessen werden könnte, existiere noch nicht. Trotzdem hätten die meisten Menschen längst eine „klare“ oder „sehr klare“ Vorstellung, was sie mit dem Begriff Nachhaltigkeit verbinden. Das gilt für 75 Prozent der Kunden von Versicherungsunternehmen, die Assekurata im Dezember 2020 befragt hat. Insgesamt wurden 1.944 Kundenmeinungen ausgewertet.
Verständliche Informationen notwendig
Die Assekurata-Befragung zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit bei Versicherungskunden im Vergleich zu anderen Bereichen noch etwas unterrepräsentiert ist. Während insgesamt knapp rund 68 Prozent der Kunden angeben, dass ihnen Nachhaltigkeit „wichtig“ oder „sehr wichtig“ ist, sind es im Versicherungsbereich nur rund 57 Prozent. Analyst Will kommt aber zum Schluss, dass Attribute der Nachhaltigkeit auf Produktebene, keinesfalls für die Versicherer nachteilig wären. Doch auch der Rating-Experte warnt vor Greenwashing.
Nach dem Überwinden der Corona-Krise dürfte Nachhaltigkeit, verbunden mit der Warnung vor dem Klimawandel, wieder das beherrschende Thema in der Öffentlichkeit werden. „„Eine konsequent kundenzentrierte Nachhaltigkeitskommunikation ist gerade für Versicherer ein Muss“, fordert daher die Wirtschaftspsychologin Jutta Rothmund. In einer Stichprobe von neun Websites „namhafter Versicherer“ habe sich ein eher durchwachsenes Bild ergeben. Trotz einzelner Highlights und positiv überraschender Einblicke in bisherige Nachhaltigkeitsaktivitäten von Versicherern, würden viele Informationen aus Verbrauchersicht noch diffus und unspezifisch wirken. „Haltungen und Aktivitäten erscheinen oft noch zu unverbindlich. Häufig sind Nachhaltigkeitsinformationen kaum auffindbar und wenig verständlich“, so Rothmund.
Branche ist hyperaktiv
Insgesamt gibt es mittlerweile rund um die Nachhaltigkeit viele Aktivitäten aus der Versicherungsbranche. Vor allem der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat Ende Januar seine Nachhaltigkeitsposition veröffentlicht, die auf einem Beschluss des GDV-Präsidiums basiert. Danach bekennen sich die Versicherer zu den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs) und zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. In 25 Punkten wird die Absichtserklärung erläutert. Der Analyst Carsten Zielke bewertet regelmäßig die Nachhaltigkeitsberichte der Versicherer.
Die Rating-Agentur Morgen & Morgen zeichnet nachhaltige Investment-, Spar- und Finanzierungsprodukte aus. Dafür wurde der Sustainable Award in Finance gemeinsam mit dem Versicherungsmagazin ins Leben gerufen. Die Rating-Agentur Franke & Bornberg hat ihren ESG-Report (englisch: environmental, social and governance = ESG) veröffentlicht, indem sie die Nachhaltigkeit der deutschen Assekuranz überprüft. Das Institut für Finanz-Markt-Analyse (Infinma) hat die Brancheninitiative "Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung" gestartet. Sie soll künftig die erforderliche IDD-konforme Beratung zu ESG-Themen unterstützen. Auf einer Plattform sollen Informationen für einen nachhaltigen Beratungsprozess zusammengetragen werden.
Vermittler sind in der Pflicht
Das ist auch notwendig, denn ab März 2021 müssen Vermittler auf ihrer Website ein Statement zur ihrer Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlichen. Die nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflicht verlangt eine EU-Richtlinie. Laut Prof. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund würden aber noch technische Regulierungsstandards fehlen. Er empfiehlt Vermittlern, die noch keine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt haben, auf diesen Umstand auf der Website hinzuweisen und die Offenlegungspflicht auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Damit könnten Vermittler Zeit gewinnen, um sich mit dem Thema Nachhaltigkeit intensiv auseinanderzusetzen.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek