Ab 10. März 2021 muss die "Verordnung 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor" (TVO) angewendet werden. Versicherungsmagazin sprach mit Rechtsanwalt Andre Kempf, Referatsleiter und Syndikusanwalt der Allianz Lebensversicherung AG, über die Konsequenzen für Vermittler.
Herr Kempf, in wenigen Wochen muss die TVO angewendet werden. Welcher Handlungsbedarf ergibt sich daraus für Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter?
Andre Kempf: Nachhaltigkeit im Sinne der ESG-Kriterien ist natürlich ein wichtiges Thema, das nicht nur als Zwang gesehen werden sollte. Daher sollten sich Versicherungsvermittler spätestens jetzt mit der Materie beschäftigen. Sie spielt insbesondere bei der Beratung zu Lebens-/Rentenversicherungen oder der bAV eine Rolle. In jedem Fall muss der Vermittler ab 10. März 2021 eine Änderung seiner Homepage im Internet vornehmen, wenn er zu den vorstehenden Produkten berät.
Gilt das auch für Ausschließlichkeitsvertreter?
Die Regelungen gelten für alle Vertreter, Makler und Versicherungsberater. Gebundene Vertreter werden dazu von „ihren“ Versicherern Informationen und Vorgaben erhalten oder auch eine vorformatierte Homepage haben. Sie haben es dann diesbezüglich etwas einfacher.
Die TVO sieht eine Ausnahme für Vermittlerbetriebe mit weniger als drei Beschäftigten vor. Was ist damit gemeint?
Die Regelungen gelten dann für den Vermittler nicht, wenn er maximal drei Beschäftigte hat. Nach meiner Auffassung gehören hierzu auch Teilzeitkräfte oder freie (selbstständige) Mitarbeiter. Unabhängig von der Frage, ob der deutsche Gesetzgeber gegebnenfalls im Jahr 2022 diese Ausnahme noch „kassieren“ wird, ist jedem Vermittler empfohlen, sich entsprechend der Vorgaben aufzustellen - ich sehe hier eine echte Nachfrage von Kundenseite auf den Vermittler zukommen. Hier zu argumentieren, "gilt für mich nicht, ich bin ein Kleinbetrieb", steht dem Vermittler nicht gut zu Gesicht.
Ist die TVO für alle Versicherungssparten relevant?
Die Regelungen der TVO gelten für so genannte Versicherungsanlageprodukte im Sinne der IDD und für die betriebliche Altersvorsorge (bAV), da diese nicht ausgeschlossen wurde. Auch für Riester- und Basisrentenprodukte gelten sie. Gerade in der bAV gab es schon konkrete Nachfragen von Unternehmen, da diese sich selbst verpflichtet haben, bei allen Lieferanten deren Nachhaltigkeitsausrichtung sicher zu stellen.
Wichtig ist allerdings auch, dass insbesondere der Makler keine Einschränkung seiner Anbieterauswahl vornehmen sollte - letztlich muss er ja Versicherungslösungen aus der Breite des Marktes anbieten.
Wie könnte eine Nachhaltigkeitsstrategie aussehen, und wie sollte man sie auf der Homepage beschreiben?
Der Vermittler muss sich zunächst überlegen, wie er mit dem Thema umgehen will. Die Strategie muss also zum Geschäftsmodell passen oder aus diesem entwickelt werden. Aktuell muss er Aussagen zur Berücksichtigung treffen. Dabei kann er auch mitteilen, dass er verschiedene Aspekte nicht berücksichtigt und dies begründen.
Wichtig dabei: Die Informationen müssen auf der Homepage des Vermittlers auftauchen. Dazu bietet sich das Impressum an. Dem Kunden ausgehändigt werden müssen die Informationen des Vermittlers nicht. Dies kann sich aber künftig noch ändern - aktuell ist dies der Stand. Dies bedeutet auch, dass ein Vermittler, der keine Homepage hat, aktuell keine Pflichten hat. Hier gilt aber dann das zu den Kleinbetrieben Gesagte.
Gibt es weitere Angaben, die auf der Homepage gemacht werden müssen?
Der Vermittler muss auch angeben, ob er die Vergütung seiner Beschäftigten an Nachhaltigkeitsaspekten ausrichtet. Dies wäre dann der Fall, wenn er an einen Beschäftigten für die Vermittlung unterschiedlicher Produkte unterschiedliche Vergütungen zahlt.
Wie sieht es beim Thema vorvertragliche Informationen aus?
Die vorvertraglichen Informationen zu den Produkten kommen vom Versicherer. Diese sind dann im Angebotspaket des Versicherers enthalten. Mit der Übergabe dieser Informationen erfüllt der Vermittler seine Pflicht, wenn er dargestellt hat, dass sich bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die Informationen der Versicherer bezieht.
Wenn dem Kunden in der Beratung Nachhaltigkeit außerordentlich wichtig ist, gehört das dann auch in die Beratungsdokumentation. Von sich aus muss der Vermittler das Thema allerdings nicht ansprechen.
Was sollten Vermittler im Bereich Marketingmitteilungen beachten?
Wichtig ist hier: die Marketingmaßnahmen - also die Werbung - sollten dem entsprechen, was der Vermittler tut. Werbung damit zu machen, dass man bei der Beratung Nachhaltigkeitsrisken der Versicherungsanlageprodukte besonders berücksichtigt, und es dann nicht zu tun, verbietet sich schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen - aber das ist ja eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit.
Was können Sie abschließend den ungebundenen Vermittlern empfehlen?
Wie eingangs schon erwähnt, sollten sich die Vermittler spätestens jetzt mit dem Thema befassen. Was auf der Homepage aufgenommen wird, sollte dabei der Strategie des Vermittlers entsprechen.
Das Thema wird im Jahr 2021 und auch danach wachsen. Deshalb ist der Vermittler gut beraten, sich mit der Thematik zu befassen. Dabei ist mir auch wichtig, dass es zu dem einen oder anderen Punkt sicherlich noch Konkretisierungen geben wird. Deshalb werden die Informationen ja nicht mit dem Meißel in Stein geschlagen, sondern auf der durchaus flexibleren Homepage veröffentlicht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hinweis: Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) hat eine "Checkliste: So bereite ich mich als Vermittler auf die Transparenzverordnung (TVO) vor" (TVO-Checkliste) veröffentlicht. Diese zeigt Vermittlern den Handlungsbedarf auf und enthält Musterformulierungen unter anderem zur Nachhaltigkeitsstrategie.
Autor(en): Matthias Beenken