Gefährliches Geschenk: Magerer Kinder-Unfallschutz

Kostenloser Versicherungsschutz als Motivator für höhere Kindersicherheit, ist eine gute Idee. Immerhin geht es um die wertvolle Zielgruppe von schätzungsweise rund elf Millionen Kinder unter 15 Jahren. Doch HDI-Gerling setzt den guten Gedanken als ungenügende Billigvariante um. Unzureichender Versicherungsschutz, der Eltern in vermeintlicher Sicherheit wiegt, ist gerade für die neue Welt des beratenden Verkaufs kontraproduktiv.

Besonders fatal: Das Geschenk sieht gut aus. Gleich an drei Stellen findet der Käufer, der derzeit in einer ATU-Filiale (ATU ist ein Autoteile-Anbieter mit angegliederter Werkstatt) einen Kinder-Sicherheits-Sitz für das Auto erwirbt, im Werbeprospekt der HDI-Gerling Unfallversicherung die Summe von 10.000 Euro. Bergungskosten, kosmetische Operation und Grundsumme sind gleich hoch. Das dürfte Fachleute verwirren, denn in der Regel ist die Grundsumme bei einer Unfallversicherung immer um ein Vielfaches höher, als die Zusatzleistungen. Doch die Police gibt es ja „geschenkt“.

Jeder Sitz-Käufer, ob Eltern oder Großeltern erhält noch im Laden Unfallschutz für seinen Nachwuchs - beitragsfrei für ein Jahr. Die Police läuft danach automatisch aus. Mit doppeltem Schutz – Sicherheitssitz und Unfall-Police - werben die Strategen des Hannoveraner Versicherers Talanx-Konzerns. Immerhin würden drei Viertel aller Kinder nicht in einem Kindersitz befördert, der ihrem Alter und ihrer Größe entspricht. Mit der Kooperation des Marktführers im deutschen Kfz-Servicemarkt und der Talanx-Tochter würde so die Sicherheit der Kinder erhöht.

Produkt mit vielen Besonderheiten, aber unzureichend
Das Geschenk ist eine klassische Unfallpolice, wie HDI-Gerling bestätigt. Sie gilt somit weltweit rund um die Uhr gilt, nicht nur beim Autofahren. Das Produkt ist zudem mit zahlreichen Besonderheiten bestückt, so gibt es eine verbesserte Gliedertaxe, Schutz bei Infektionen durch Zeckenbisse und Vergiftungen sowie versehentlichem Verschlucken von für Kinder schädlichen Gegenständen. Außerdem ist ein "Helm-Bonus" enthalten. Trägt das Kind bei sportlichen Aktivitäten - wie Fahrradfahren oder Skifahren - einen Helm, belohnt HDI-Gerling diese Prävention. Das heißt, bei unfallbedingten Kopfverletzungen erhöht sich die Invaliditätsleistung nochmals um zehn Prozent und landet dann immer noch – sollte das Kind zu 100 Prozent Invalide werden – bei mageren 38.500 Euro.

Nach heutigen Maßstäben ein vollkommen unzureichender Schutz. Familien können das aber ohne jede Beratung überhaupt nicht einschätzen. Immerhin ist die Unfallversicherung – besser Invaliditätsversicherung höchst erklärungsbedürftig. So dürfte beim Verlust eines Auges, die Entschädigung aufgrund der Gliedertaxe wahrscheinlich bei 10.000 Euro liegen. Schon nach Schadenersatzrecht ist heute ein verlorenes Auge bei einem Kind 70.000 Euro oder eine Rente von 240 Euro pro Monat „wert“, wie die Beck´sche Schmerzensgeld-Tabelle zeigt (inflationsbereinigt; Kammergericht Berlin, 9 U 3177/90 –OLG Schleswig 11 U 5/2000).

"Verschenken" von Versicherungsprodukten schadet
Und was ist das HDI-Gerling Geschenk wert? Rund 24 Euro, wie Vergleichsdatenbank InnoSystems für die Zurich M-Police zeigt. Dafür gibt es aber schon eine 500-prozentige Progression mit jeweils 16.000 Bergung und kosmetischer Operation. Doch natürlich reicht dieser Schutz bei weitem nicht aus. Kinder, die zu Invaliden werden brauchen eine längerfristige Absicherung, damit psychische Wunden heilen und Lerndefizite beispielsweise durch Privatunterricht aufgefangen werden kann.

Das „Verschenken“ von Versicherungsprodukten schadet dem Kunden, der in keiner Weise feststellen kann, ob das Produkt seinem Bedarf entspricht und wo es im Wettbewerb unter vergleichbaren Produkten steht. Dem geschenkten Gaul sollten die Kunden besser doch ins Maul schauen. Immer gibt es auch eine Kinder-Invaliditätsversicherung (KIDS), die nicht nur bei Unfall, sondern zusätzlich bei krankheitsbedingter Invalidität bezahlt.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

Alle Branche News