Die bbg hat Versicherungsmakler anlässlich der IDD-Umsetzung befragt, wie sie mit dem Prinzip umgehen, nur im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln. Die Ergebnisse sind differenziert, geben aber zu denken.
Der Versicherer, der Vermittler, der Berater „muss bei seiner Vertriebstätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln“. So heißt es im neuen § 1a VVG, der seit 23. Februar 2018 gültig ist, in Verbindung mit § 59 VVG.
Gesetze verbieten Fehlanreize aus Absatzinteressen
„Die Vertriebsvergütung von Versicherungsunternehmen und deren Angestellten darf nicht mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln, kollidieren. Versicherungsunternehmen dürfen keine Vorkehrungen durch die Vertriebsvergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen, durch die Anreize für sie selbst oder Versicherungsvermittler geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl sie ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnten.“ (§ 48a Abs. 1 VAG). Vergleichbares wird die Versicherungsvermittlungsverordnung als Anforderung für die Vermittler enthalten, wenn die zum Beispiel ihre Mitarbeiter oder Untervermittler anreizen.
Besonders streng sind zudem die „Pflichten zur Vermeidung von Interessenkonflikten“ beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten (§§ 7c Abs.3 VVG, 48a VAG). Auch Vermittler müssen Interessenkonflikte vermeiden oder unvermeidliche Konflikte offenlegen (§ 34e Abs.1 GewO).
Mehr als jeder Dritte will keine interessengeleitete Anreize erkennen
Die aktuelle Asscompact-Trendstudie II/2018 hat diese Vorschriften zum Anlass genommen, über 300 Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter zu ihrer Wahrnehmung der Probleme zu befragen, die hinter solchen Vorschriften stecken. Allerdings ist die Sensibilität nicht übermäßig ausgeprägt. Nur 22 Prozent der Befragten stimmen der Aussage vollständig zu, dass Versicherer Anreize einsetzen, die es dem Vermittler jedenfalls erschweren, im Sinne des oben zitierten § 1a VVG zu handeln. 41 Prozent konnten sich nur zu einem „teils/teils“ entscheiden, 37 Prozent scheinen dagegen keine Fehlanreize wahrzunehmen.
Auch wollen nur 26 Prozent selbst schon einmal mit Fehlanreizen konfrontiert worden sein. Nicht ganz untypisch, vermuten etwas mehr Befragte (31 Prozent), dass Berufskollegen in Versuchung geführt worden sind.
Umverteilung der AP könnte helfen
Dabei scheint einer großen Mehrheit der Befragten überhaupt nicht klar zu sein, dass aus Sicht der Regulierer schon allein die Tatsache, dass für die Vermittlung von Versicherungen Provisionen/Courtagen gezahlt werden, einen potenziellen Interessenkonflikt mit den Interessen des Kunden hervorrufen. Erst recht gilt das für die in der Lebens- und Krankenversicherung weit verbreitete Sitte, bevorschusste Provisionen zu zahlen (Abschlussprovision). Und überhaupt nicht mehr leugnen lassen sich Fehlanreize, wenn von Versicherern Sondervergütungen, Staffelprovisionen, Wettbewerbsgewinne, hochwertige Einladungen und ähnliches mehr verwendet werden, die ganz offensichtlich dazu dienen, die Produktauswahlleistung des Maklers zu beeinflussen.
Eine knappe Mehrheit der Befragten (53 Prozent)geht davon aus, dass Fehlanreize bei Provisionen durch eine Umverteilung in die laufende Vergütung gemindert werden. 13 Prozent lehnen diesen Gedanken ab, der Rest wollte sich offenbar nicht festlegen.
Wenig Sensibilität beim Thema beschränkte Produktauswahl
Nur 18 Prozent der Befragten räumen ein, dass es vorkommen kann, dass sie ihre Versicherer- und Produktauswahl auf einen oder auf einige wenige Versicherer beschränken, obwohl mehr Angebote verglichen werden könnten. 54 Prozent sehen das überhaupt nicht so. Gleichzeitig sagen aber auch 79 Prozent, dass eine vertrauensvolle und langfristige Geschäftsbeziehung zum Versicherer bei der Produktauswahl eine Rolle spielt. Und knapp jeder Dritte sagt, dass er sich bei seiner Produktauswahl auf Pools, Verbünde oder Vergleichsportale verlässt, 38 Prozent räumen dass „teils/teils“ ein. Ein gewisser Widerspruch zur Wahrnehmung der Unabhängigkeit in der Produktauswahl ist nicht ganz von der Hand zu weisen.
Immerhin prüfen neun von zehn Vermittlern nach eigenen Angaben regelmäßig oder stichprobenartig, ob Angebote von Vergleichsrechnern bedarfsgerecht für den Kunden sind.
Rund jeder Zweite leistet regelmäßige Bestandsbetreuung
Überhaupt helfen organisatorische Maßnahmen, Interessenkonflikte und Fehlanreize zu vermeiden. Immerhin knapp drei Viertel der Befragten werden ihrer Rolle als Sachwalter der Kunden gerecht und verteilen nicht nur Angebote, sondern halten auch nach, ob der Kunde einen Auftrag erteilt, das erkannte Risiko einzudecken. Dagegen scheinen nur knapp über einem Viertel gelegentliche Fehler zwischen Antrag und Police aufzufallen – entweder arbeiten Versicherer inzwischen außerordentlich fehlerarm, oder die Kontrollen unterbleiben. Nur rund jeder Zweite leistet eine regelmäßige Bestandsbetreuung durch Prüfung der laufenden Verträge und Kontaktaufnahme zum Kunden, ob die vermittelten Verträge noch dem Bedarf sowie der Marktlage entsprechen.
Kritik am Gesetzgeber
Die IDD-Umsetzung ist in den Betrieben soweit möglich weit vorangeschritten, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage. Vor allem Vergütungs- und Anreizsysteme sind jeweils von klaren Mehrheiten überprüft worden, sowohl diejenigen der Versicherer als auch diejenigen der eigenen Mitarbeiter und Untervermittler. Klarer Nachholbedarf besteht noch bei der Standardisierung der Kundenbetreuung. Das hat eine besondere Relevanz bei Versicherungsanlageprodukten, bei denen eine regelmäßige Überprüfung notwendig ist.
Der deutsche Gesetzgeber wird von den Befragten im Hinblick auf die IDD-Umsetzung schlecht bewertet. Nach Schulnoten wird im Durchschnitt eine „vier plus“ vergeben. Nur knapp 12 Prozent vergeben die Noten sehr gut und gut, dagegen 35 Prozent mangelhaft und ungenügend.
Autor(en): Matthias Beenken