Mehr Pflegebedürftige als erwartet und höhere Leistungsbezüge erhöhen das Defizit der Pflegeversicherung bis zum Jahresende um rund zwei Milliarden Euro zusätzlich. Dies zeigen aktuelle Zahlen, die der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) veröffentlicht hat.
Sowohl die Anzahl der Leistungsempfänger als auch die Höhe der Leistungen fielen deutlich stärker aus als erwartet. Erhielten Ende 2016 noch 2,95 Millionen Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung rechnet der GKV-Spitzenverband bis Ende 2018 mit rund 3,46 Millionen Leistungsempfängern.
Teurer Boom
"Die Pflegeversicherung boomt. Es erhalten so viele Menschen wie noch nie Leistungen aus der Pflegeversicherung, und diese sind insgesamt auch höher als prognostiziert", sagt Gernot Kiefer, Vorstand des GKVSpitzenverbandes. Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs Anfang 2017 und die Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade haben zu dem Anstieg der Pflegeleistungen geführt. Im Bereich der ambulanten Pflege kamen rund 115.000 Menschen mehr in die Pflegeversicherung als im Vorfeld der Reform erwartet wurde.
Die Auswertung der Begutachtungsergebnisse zeige, so Kiefer weiter, dass der Anteil an höheren Pflegegraden zunehme. Dies sei mit deutlich höheren Ausgaben für die Pflegeversicherung verbunden. Es sei aber ein gutes Signal, dass bei den Begutachtungen offensichtlich die medizinisch-pflegerischen Notwendigkeiten über den finanziellen Folgen für die Pflegeversicherung stünden, lobte er.
Steigt der relative Anteil an höheren Pflegegraden, steigen die individuellen Leistungsansprüche und die absoluten Leistungsausgaben der Pflegebedürftigen. Die finanziellen Auswirkungen dieses Struktureffektes auf das laufende Jahr belaufen sich auf rund eine halbe Milliarde Euro, wie der Verband mitteilt.
Zwei Milliarden mehr Minus
Die Kalkulation der Pflegeversicherung hat den hohen Anstieg an Leistungsempfängern und die höheren Leistungsbezüge nicht berücksichtigt. Man erwarte im laufenden Jahr Mehrausgaben von rund zwei Milliarden Euro. "Damit wird sich das Defizit der Pflegeversicherung über die bisher eingeplante gut eine Milliarde Euro auf eine Größenordnung von rund drei Milliarden Euro bis Ende 2018 erhöhen", sagte Kiefer.
Den Überlegungen des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) den Beitrag zur Pflegeversicherung im kommenden Jahr um 0,2 Prozentpunkte zu steigern, um die Mehrausgaben zu finanzieren, erteilte Kiefer umgehend eine Absage. Die Zahlen müssten zunächst gründlich analysiert werden. "Statt reflexhaft einen höheren Beitragssatz als einzige Lösungsmöglichkeit anzukündigen, sollte auch über die Einführung eines Bundeszuschusses zur Pflegeversicherung nachgedacht werden", so der Verbands-Chef. In der Renten- und Krankenversicherung sei dies seit Jahren selbstverständlich.
Er erinnerte auch daran, dass der Koalitionsvertrag ebenfalls vorsehe die Beitragssatzsumme in der Sozialversicherung zumindest für die laufende Legislaturperiode zu stabilisieren.
Autor(en): Versicherungsmagazin.de