Seit wenigen Tagen gibt es am Rheinufer in Mainz ein neues Verkehrsschild. Auf diesem steht: „Achtung selbstfahrender Bus“. Wie bitte? Ja, seit dem 6. August und bis Ende des Monats fährt nun ein autonomer Elektrokleinbus am Rheinufer entlang. Initiatoren des Projektes sind die Mainzer Mobilität, das kommunale Verkehrsunternehmen der Landeshauptstadt, die R+V Versicherung und MO14, die Innovationsabteilung des Wiesbadener Versicherers.
Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt ist für rund einen Monat um eine Attraktion reicher: Ein selbstfahrender Elektrokleinbus cruised nun am Rhein entlang. Kosten für das moderne Gefährt: 250.000 Euro, zusätzliche Investitionen wie ein Kamera- und zusätzliches Bremssystem nicht eingerechnet. Diese weiteren Sicherheitssysteme hatte der TÜV noch eingefordert, sonst hätte die gute "Emma", so der knuffige Name des Busses, nicht in Betrieb gehen dürfen.
Bürger konnten via Facebook Namensvorschläge einreichen
Und warum gerade Emma? Emma steht für Elektromobilität Mainz autonom. Und außerdem braucht natürlich jedes „Baby“, das man mit viele Liebe und Fürsorge auf die Welt oder in diesem Fall auf den Fahrzeug-Markt gebracht hat, einen ansprechenden Namen. Der Namensgebung ging auch ein Namenswettbewerb voraus. Auf Facebook konnten die Bürger ihre Vorschläge einbringen. Laut Mainzer Mobilität stieß dieses Angebot sogar „auf große Resonanz“.
Emma ist für die rund einen Kilometer lange Strecke mit gemächlichen elf Kilometer/Stunde (km/h) am Mainzer Winterhafen unterwegs, genauer gesagt vom Fort Malakoff bis zum Mainzer Ruderverein und wieder zurück. Fahrzeit: Rund sieben Minuten. Die Busse könnten zwar schneller fahren, maximal 25 Km/h, werden aber für die vierwöchige Testphase auf die gemütlichen 11 Km/h runtergedrosselt. Aus Sicherheitsgründen und der Strecke angepasst, denn diese wird in erster Linie von Fußgängern und Radfahrern genutzt, ab und auch von Fahrzeugen, die Waren anliefern.
Hochsensible Sensoren erkennen Hindernisse und lassen den Bus bei Bedarf bremsen. Zur Sicherheit ist in der Testphase noch ein Fahrer an Bord, ein so genannter Operator. Dieser startet den Bus wieder per Knopfdruck, wenn der Bus wegen eines Hindernisses angehalten hat oder wenn die Weiterfahrt kurz gestoppt wurde, weil die Satellitenverbindung unterbrochen war. Sechs Fahrdienstmitarbeiter der Mainzer Mobilität wurden eigens für diesen Job geschult.
Emma reagiert blitzschnell auf plötzlich auftretende Hindernisse
Der Bus fährt auf „virtuellen Schienen“, denn er folgt einer präzis programmierten Strecke, mit klar markierten Punkten wie dem Start-, Wende- und Endpunkt der Fahrt. Doch trotz dieser klar vorgezeichneten Streckenführung ist Emma nicht dumm. Denn sie ist sehr wohl fähig, auf der Fahrt neue Daten aufzunehmen und zu verarbeiten. Was sie aber auf jeden Fall können (muss), ist blitzschnell zu reagieren, wenn plötzlich Gegenstände den Weg verstellen, Menschen oder Tiere unvermittelt den Weg des Busses queren oder sogar direkt auf den Bus zulaufen.
Und das passiert recht häufig, wie die Operatoren der Busse oder auch andere Projektverantwortliche sagen. Viele Menschen würden sogar ganz bewusst vor den Bus laufen, um zu testen, ob dieser auch wirklich stoppt. Auch bei einer der ersten Fahrten am Mainzer Rheinufer kam es zu einem derartigen Vorfall. Ein Radfahrer provozierte den Stopp des Busses. Der reagierte sofort und bremste. Sieg der intelligenten Maschine über die manchmal dumme Spezies Mensch.
Initialzündung kommt aus dem Innovation Lab der R+V
Die Idee zu dem autonomen Elektrokleinbus entstand in der Ideenschmiede der R+V Versicherung, in ihrem Innovation Lab. Dort hat man sich schon früh mit der Frage beschäftigt, wie die Mobilität von morgen aussehen kann und soll. Und schnell war auch die Führungsriege des Wiesbadener Versicherers bereit, die Idee der jungen Kreativen, dass ein Versicherer die Mobilität von morgen konstruktiv mitgestaltet, (finanziell) zu unterstützen.
Bei der gestrigen Presseveranstaltung und dem Startschuss für die autonome Busstrecke betonte Jan Dirk Dallmer, Direktor Kfz-Betrieb bei der R+V, dass sich sein Unternehmen mit dem autonomen Elektrobus als DER Mobilitätsversicherer am Markt präsentieren und etablieren möchte. Schon 9.000 autonome Fahrzeuge seien aktuell im Silicon Valley unterwegs, eine Zahl, von der Deutschland natürlich noch meilenweit entfernt sei, aber nach seiner Ansicht sind Fahrzeuge wie Emma schon die Vorboten eines ähnlichen Trends auch hierzulande.
Chancen und Risiken der neuen Technologie erforschen
O-Ton Dallmer: „Wir wollen mit dem selbstfahrenden Bus ja kein Harakiri-Projekt fördern, sondern handeln dabei im Sinne unserer Kunden und genossenschaftlichen Partner. Noch ist die Vision vom vollautonomen Fahren Zukunftsmusik. Aber wir nutzen die Entwicklungsphase, um die Chancen und Risiken der neuen Technologie zu erforschen und zwar auf Basis eigener Daten“. Positiver Nebeneffekt: Die enge Zusammenarbeit seines Hauses mit Automobilunternehmen und Forschungseinrichtungen mache es möglich, dass sein Unternehmen als zukunftsorientierter Versicherer für autonome Fahrzeuge wahrgenommen werde.
Die Sponsoren, Förderer und Befürworter
Das Mainzer Verkehrsunternehmen möchte bei diesem Mobilitätsprojekt auch Erkenntnisse sammeln, wie und wo man autonom fahrende elektrische Kleinbusse flexibel einsetzen kann, um auch städtische Randgebiete und ihre dortigen Bewohner versorgen zu können. Mit einer Art „Drive-on-Demand“-Strategie könne künftig mit derartigen Bussen die Lebensqualität der Menschen im ländlichen Raum verbessert werden, ist sich auch Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland-Pfalz und Schirmherr der Elektrobus-Initiative, sicher. Wie überzeugt das Land von dem neuen Mobilitätskonzept ist, zeigte sich bei der Pressekonferenz auch daran, dass die Mainzer Mobilität noch einen Förderbescheid von 80.000 Euro erhielt.
Das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Mainz fördern übrigens das mobile Busprojekt. Die Mainzer Volksbank eG und die DGS Diesel- und Getriebeservice GmbH aus Mainz stehen als Sponsoren hinter dieser engagierten Initiative.
Nach Berlin, Niederbayern und Frankfurt nun auch Mainz
Autonom fahrende Busse gibt es bereits im niederbayerischen Bad Birnbach und in Berlin. Schon im März 2017 wurde im Schweizerischen Zug ein autonomer Bus auf die Straße gebracht. Und im April 2018 haben unter anderem der Hersteller Continental, die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) und die Fachgruppe Neue Mobilität der Frankfurter Hochschule einen autonomen Bus getestet. Nun gibt es einen solchen eben auch in der Rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Aber erstmals ist ein Versicherungsunternehmen bei einem derartigen Projekt die treibende Kraft. Da sag noch mal einer, Versicherer können nicht agil und digital agieren.
Autor(en): Meris Neininger