Betriebsschließungsversicherung: Ärger mit Vertriebs-Info

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Versicherungsmakler sollten Kunden, die eine Betriebsschließungsversicherung (BSV) abgeschlossen haben, unbedingt vertriebliche Informationen weitergeben, die auf einen Deckungsschutz gegen das Coronavirus hinweisen. Damit könnten die Kunden beim Streit um den Versicherungsschutz besser aufgestellt sein, so die Einschätzung von Juristen.

Wenn sich Versicherer in Vertriebsinformationen zu einer Leistung verpflichten, könnten solche Schreiben sogar genutzt werden, um schon geschlossene Vergleiche aufzuheben. Diese Meinung vertritt der Fachanwalt Stephan Michaelis aus Hamburg. Er verweist dabei als Beispiel auf die "Vertriebsinformation Gewerbe", die die Versicherungskammer Bayern (VKB) noch Anfang März 2020 versandt hat. Der Anwalt glaubt, dass sich der Versicherer mit dieser Information gegenüber seinen Kunden zu einer Leistung verpflichtet hat. Michaelis: "Meines Erachtens hat die Versicherungskammer Bayern aufgrund dieses Schreibens die getätigten Zusagen einzuhalten und die versicherungsvertraglichen Leistungen vollständig zu erbringen. Obwohl es eigentlich vorher im Versicherungsvertrag vielleicht sogar anders stand!".

VKB sieht sich nicht in der Leistungspflicht

Der bayerische Regionalversicherer sieht sich hingegen durch das Schreiben nicht in der Leistungspflicht. So löse die Gleichstellung des Coronavirus mit den namentlich in den VKB-Bedingungen genannten Krankheitserregern "alleine" den Versicherungsschutz nicht aus. Der sei nur gegeben, wenn eine behördliche Schließung aufgrund eines konkreten COVID-19-Falles im Betrieb erfolge. Auf eine generalpräventive, flächendeckende Schließung von Betrieben sei die BSV der VKB nicht anwendbar.

Viele Rechtswissenschaftler sehen dies aber anders. So stellt etwa Professor Michael Fortmann vom Kölner Institut für Versicherungswesen (ivw) in der "Zeitschrift für Versicherungswesen" (ZfV 10/2020) fest: "Soweit in den Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung eine Anordnung der zuständigen Behörde gefordert wird, sind sämtliche Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfasst." Das gelte für Einzelfallanordnungen, Rechtsverordnungen und auch Allgemeinverfügungen.

Keine "bestimmte" Behördenanordnung notwendig

Der Rechtswissenschaftler verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (06. Juli 2016 – IV ZR 441/15) der Zweck und Sinnzusammenhang einer Versicherungsklausel nur dann zu berücksichtigen ist, wenn der Versicherungsnehmer diesen erkennen kann. Fortmann: "An keiner Stelle der einschlägigen Versicherungsbedingungen kann aber der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine Einschränkung auf eine bestimmte Anordnung entnehmen."

Deckungsschutz gäbe es aber nur, wenn die Anordnung zu Betriebsschließung auf der Grundlage des IfSG erfolgt sei. Das sei im Einzelfall zu prüfen. Auch Jurist Michaelis geht davon aus, dass Allgemeinverfügungen mitversichert sind.

Vertriebsinfos an Kunden weiterleiten

Nach Meinung des Fachanwalts für Versicherungsrecht könnten solche "eindeutigen" und "unmissverständlichen" Vertriebsinformationen im Streitfall vor Gericht den Ausschlag zu Gunsten der Versicherten geben. Daher hat er seinen Mandanten in einem aktuellen Newsletter die VKB-Vertriebsinformation zur Verfügung gestellt.

Er rät, diese Informationen "zu den Akten" zu nehmen und gewerbliche Kunden darüber zu informieren. Das sei schon im Eigeninteresse sinnvoll, um eine mögliche Haftung durch "Falschempfehlung" zu vermeiden. Über ähnliche Vertriebsinformationen anderer Gesellschaften sollten die Makler den Anwalt informieren.

50 Prozent nehmen bei VKB Vergleich an

Die VKB ist eine der Initiatoren der "Bayrischen Lösung", die mit der Bayerischen Staatsregierung, dem Hotel- und Gaststättenverband Bayern (DEHOGA) und dem Verband der Bayerischen Wirtschaft (vbw) ausgehandelt wurde. Mitgewirkt haben zudem Allianz, Zurich und Haftpflichtkasse. Mittlerweile haben sich viele weitere Versicherer der Lösung angeschlossen. Gemäß der am 3. April 2020 vereinbarten Initiative zahlen die Assekuranz-Unternehmen die Hälfte des nach Abzug der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen sowie durch ersparte Aufwände, wie Materialkosten, verbleibenden wirtschaftlichen Schadens von 30 Prozent. Somit werde 15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung für die Dauer der versicherten Haftzeit gezahlt. Die Leistung ist auf 30 Tage gedeckelt.

Mehr als die Hälfte der VKB-Kunden, die eine BSV abgeschlossen haben, hätten dieser Regelung bereits zugestimmt. Die Überweisung des Zahlungsbetrages erfolge dann unmittelbar. Die Zahlung würden nicht auf staatliche Unterstützung angerechnet. Über die Anzahl der Kunden, die bei der VKB eine BSV-Police abgeschlossen haben, will der Versicherer keine Angaben machen. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verfügen in Hotellerie und Gastronomie weniger als 25 Prozent der Betriebe über eine BSV. Nach Schätzung soll es bundesweit 25.000 bis 40.000 Policen geben.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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