Die Fusion zwischen den beiden rheinischen Vereinsversicherern scheint die produktive Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wesentlich einzuschränken. Für 2024 rechnet die neue BarmeniaGothaer mit einem Anstieg der Beitragseinnahmen um 6,1 Prozent auf 8,52 Milliarden Euro. Damit wächst das neue Unternehmen eindeutig stärker als der Markt, der in diesem Jahr nur um 3,7 Prozent zulegt.
Rechtlich und gesellschaftlich ist die Fusion der Vereinsversicherer aus Wuppertal und Köln in trockenen Tüchern. Doch im Detail hat das Management noch viel Arbeit vor sich, um eine Gesellschaft aus einem Guss zu formen. In nur elf Monaten wurde die Fusion der Barmenia.Gothaer Finanzholding AG weit vorangetrieben. Seit Ankündigung gelang es dem Management, die Freigabe durch das Bundeskartellamt und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie die Eintragung ins Handelsregister zu erreichen. Zudem wurde die Barmenia Leben rechtlich auf die Gothaer Lebensversicherung AG verschmolzen. „Die Bafin hat unser Anliegen mit einem konstruktiven Dialog unterstützt“, sagte der Chief Executive Officer (CEO), Dr. Andreas Eurich, anlässlich der Vorstellung erster Ergebnisse für 2024. Gemeinsam mit Oliver Schoeller führt er den neuen Konzern.
Volle Migration in Leben dauert lange
Es steht aber noch viel praktische Arbeit an. So soll die weitere rechtliche Zusammenlegung der beiden Vereinsversicherer – die Post Merger Integration – rund neun weitere Monate dauern. Viel länger dürfte die tatsächliche Migration aller Lebensversicherungsverträge auf ein IT-System brauchen. „Selbst das Jahr 2028 halte ich für sehr sportlich“, erläuterte die verantwortliche Vorständin, Alina vom Bruck, auf Rückfrage. Bisher gibt es noch zwei Bestandführungssysteme in der Lebensversicherung, auf die aber alle Mitarbeitenden zugreifen können. In 2025 sollen die Kundinnen und Kunden aber bereits immer das gleiche Produkt bekommen, egal über welchen Kanal sie den neuen Versicherer ansprechen. Bei der Zusammenlegung der Provisionssysteme der beiden Gesellschaften hätten die Exklusivvermittler sogar einen schnelleren Zeitplan gefordert. Das Management hatte eigentlich zwei Jahre veranschlagt. Grund für die geforderte schnellere Umsetzung sei, dass die Vermittler durch die Fusion auf neues Vertriebspotenzial hoffen.
„Es wird natürlich trotzdem bei der Vereinheitlichung des Provisionssystems Diskussionen geben. Die Vermittler sind ja selbständige Unternehmer“, betonte Schoeller. Die BarmeniaGothaer ist nun ein Top-10-Versicherer. Sie verwaltet Kapitalanlagen von 50 Milliarden Euro und hat rund acht Millionen Kundinnen und Kunden. Die Zahl der Beschäftigten beläuft sich auf 12.200. Hinzu kommen noch 4.700 Partnerinnen und Partner, die die Produkte der Gesellschaft exklusiv vermitteln. „Mit ihnen sind wir nur erfolgreich, wenn wir einen sehr hohen Service anbieten“, sagte CEO Schoeller. Zudem könnten Technologieprojekte, wie Künstliche Intelligenz (KI), nur vorangetrieben werden, wenn man eine bestimmte Größe habe. Derzeit würden 60 Projekte betrieben. „Sie sollen uns helfen, schneller besser zu entscheiden“, fasst Schoeller das Ziel der KI-Entwicklung zusammen.
Der Staat kommt hier immer mehr an seine Grenzen
Zum Investitionsvolumen in die IT wollte das Unternehmen aber auch auf Rückfrage noch keine Angaben machen. Schoeller betonte die hohen Synergieeffekte, die aus der Vereinigung der Gothaer als Spezialist für Gewerbe und Industrie und der Barmenia, als Spezialist für das Thema Gesundheit, entstehen würden. „Das Bewusstsein für Gesundheit ist nach der Pandemie in der Gesellschaft gewachsen. Der Staat kommt hier immer mehr an seine Grenzen.“ Daher gebe es hier ein großes Potential für die neue Gesellschaft. Bei der privaten Krankenversicherung (PKV) gehört die BarmeniaGothaer nun zu den fünf größten Anbietern. Nach vorläufigen Zahlen konnte das Unternehmen in der PKV die Beitragseinnahmen 2024 um 4,5 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro steigern und liegt damit auf Marktniveau. Im Brot- und Buttergeschäft der PKV, der Vollversicherung, erreichte die Assekuranz eine Bestandsausweitung um 1,5 Prozent, das entspricht einem Zuwachs von über 6.000 Kundinnen und Kunden. Der Bestand in der Krankenzusatzversicherung wuchs um über 200.000 Personen.
15 Prozent höhere Prämien in der PKV
Für 2025 müssen die Vollversicherten aber herbe Beitragssteigerungen hinnehmen, die im Schnitt bei 15 Prozent liegen werden. Damit würden die Anpassungen aber unter denen des Marktes liegen, der die Prämien um über 18 Prozent anpassen muss. Großes Wachstum sieht die Assekuranz weiterhin in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV), die marktweit im ersten Halbjahr zehn Prozent mehr versicherte Personen gewinnen konnte. Hier will das Unternehmen mit besonders viel Service punkten. Noch immer ist der bKV-Anteil im Vergleich zu allen Einnahmen in der PKV aber eher gering. Daher war die Assekuranz auch auf Rückfrage nicht bereit, die erzielten Bruttobeiträge in der bKV zu nennen.
Positiv entwickelte sich auch der Altersvorsorgeschutz der neuen Gothaer Leben. Das Neugeschäft stieg 2024 um 18 Prozent auf eine Beitragssumme von 2,5 Milliarden Euro. Die Bruttoeinnahmen erhöhten sich um 1,7 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro, während der gesamte Markt um 0,4 Prozent schrumpfte. Eine Ursache für diese gute Performance soll das erste gemeinsame Produkt, eine fondsgebundene Rentenversicherung sein. Sie zeichnet sich angeblich durch hohe Flexibilität aus. Seit dem Launch am 16.09.2024 konnten über 3.000 Verträge mit einer Beitragssumme von 170 Millionen Euro vermittelt werden.
Unternehmen saniert massiv seine Bestände im Sektor der Elementargefahren
Auch in der Kompositsparte entfällt rund 55 Prozent des Wachstums nur auf Beitragsanpassungen. In der Industrie- und Gewerbeversicherung liegt dieser Anteil sogar noch deutlich höher. Insgesamt schätzt der Versicherer, dass die Beitragseinnahmen 2024 in Komposit um rund 10 Prozent auf über drei Milliarden Euro gestiegen sind. Der Markt wäre nach Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aus Oktober 2024 nur um 7,7 Prozent gewachsen.
Gerade im Bereich der Elementargefahren saniert die BarmeniaGothaer massiv ihre Bestände. So werde nun das Zonierung-System für Starkregen systematisch in die bestehenden Verträge eingebracht. Gleichzeitig verlangt die Assekuranz mehr Prävention, vor allem von Industrie- und Gewerbekunden. „Eine Autowerkstatt hätte einen acht Millionenschaden durch eine Überschwemmung vermeiden können, wenn eine Spundwand vorhanden gewesen wäre“, erläuterte der zuständige Vorstand Thomas Bischof.
Gemeinsam mit den Kunden will der Versicherer künftig Präventionspakete erarbeiten. „Die Umsetzung solcher Maßnahmen ist dann eine kostenpflichtige Dienstleistung“, so Bischof. Klagen von Mittelständlern und Versicherungsmaklern, dass es keinen Feuerversicherungsschutz am Markt mehr gebe, sieht der Manager nicht als marktweites Problem an. Betroffen seien nur Kundinnen und Kunden, die mehrere Jahre keine Brandschutzverbesserungen durchgeführt haben. „Es ist kein Risikomanagement, dem Makler zu sagen, finde einen neuen Versicherer“, kritisierte Bischof. Manche Unternehmerinnen und Unternehmer würden Prävention gegen Feuer auf den behördlichen Brandschutz beschränken, damit wäre aber nur das Personal geschützt. „Dann ist das Totalschadenrisiko für solche Objekte sehr groß“, warnte Bischof. „Für unterlassene Prävention können Versicherer nicht in Haftung genommen werden“, so der Manager.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek