Mehr als 500 Transaktionen mit Wirecard-Aktien von Mitarbeitern hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen der internen Meldepflichten zwischen Januar 2018 und September 2020 registriert. Das erklärte die Exekutivdirektorin Innere Verwaltung und Recht der BaFin, Béatrice Freiwald, kürzlich in einer öffentlichen Zeugenvernehmung.
Beschäftigte der staatlichen Finanzaufsicht haben in den Monaten vor der Wirecard-Pleite privat verstärkt mit Papieren des Zahlungsanbieters gehandelt.
Im ersten Halbjahr 2020 entfielen 2,4 Prozent aller gemeldeten privaten Finanzgeschäfte von BaFin-Mitarbeitern auf Geschäfte mit Wirecard-Aktien oder -Aktienderivaten, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich dabei auf Antworten des Bundesfinanzministeriums auf einen Fragenkatalog der Grünen. Ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren: Im Gesamtjahr 2018 lag der Anteil demnach nur bei 1,2 Prozent, 2019 bei 1,7 Prozent.
Besonders öffentlich Beschäftigte aus der für Marktüberwachung zuständigen Bafin-Abteilung WA2 sollen besonders viele private Aktiengeschäfte getätigt haben.
Béatrice Freiwald erläuterte die Bemühungen ihres Hauses, Interessenkonflikte der Beschäftigten zwischen ihrer beruflichen Aufgabe der Wertpapieraufsicht und privaten Wertpapiergeschäften auszuschließen. Gegen Verstöße werde ermittelt.
Gesetzliche Regelungen seien betrieblichen Vereinbarungen gegenüber ausdrücklich zu befürworten, betonte Freiwald, sei doch die Abwägung von Eingriffen in die Grundrechte beim Gesetzgeber besser aufgehoben als im innerbetrieblichen Disput zwischen Dienstherren und Beschäftigten. "Je klarer eine gesetzliche Vorgabe ist, desto besser."
Wirecard ein Einschnitt, der wohl zum Nachdenken angeregt hat
Die BaFin-Managerin unterstrich, wie sehr ihre Behörde den Wirecard-Fall als Anstoß für Veränderungen begreife. "Wirecard war ein Einschnitt, der uns zum Nachdenken gebracht hat. Über das, was Aufseher leisten müssen und wie sie ihre Aufsichtstätigkeit wahrnehmen."
Noch im Vorgriff auf eine künftige gesetzliche Verschärfung und Präzisierung aktualisiere man die eigenen Vorschriften und schaue auf andere vergleichbare Einrichtungen. Über ein Regelwerk verfüge die BaFin seit ihrer Gründung im Jahr 2002, das immer weiter ausgebaut werde. Man habe eine auf 10.000 Euro gesenkte Bagatellgrenze für nachzuweisende Mitarbeitergeschäfte. Seit vergangenem Oktober gelte ein Handelsverbot für Papiere von Banken und Versicherungen, die die BaFin gerade beaufsichtige. Es gebe die unmittelbare Anzeigepflicht sowie die jährlichen Kontrollen. Die mögliche Nicht-Meldung anzeigepflichtiger Geschäfte "versuchen wir durch Stichproben herauszufinden".
„Unser System ist nicht perfekt“
„Wir haben uns bemüht, immer nach bestem Wissen und Gewissen“ alles zusammenzutragen, beteuerte Freiwald. „Unser System ist nicht perfekt. Aber ich kenne keine Institution, die ihnen Auskünfte geben kann über die privaten Geschäfte ihrer Mitarbeiter.“ Man greife alle Hinweise auf, die dazu dienten, „wie wir unser Compliance-System stärken können“.
Ihr Haus werde noch einen zusätzlichen Bericht vorlegen „über alle Mitarbeiter, die im Untersuchungszeitraum zum Wirecard-Fall Insiderwissen hatten“. Durch die Untersuchungen und die verschärften Regeln sei die Zahl der angezeigten Fälle im vergangenen Jahr auf das Doppelte gestiegen, auf etwa 17.000 bis 18.000 Transaktionen.
Schnell reagiert und eine Sonderermittlung angestoßen
Laut Freiwald hätte die jüngste Prüfung der EZB ergeben, „dass unsere Regelungen den Anforderungen entsprechen." Und als man im Frühjahr vermehrt Geschäfte von Mitarbeitern mit Wirecard-Aktien registriert habe, "haben wir schnell reagiert und eine Sonderermittlung angestoßen, da wir uns in einem Aufsichtsverfahren gegenüber ebendiesem Unternehmen befanden".
Die Verbote zu verschärfen sei das eine. "Aber es ist schwierig, ein vollständig wirksames Kontrollverfahren aufzustellen, das alle Fehler aufgreifen kann." Man müsse versuchen, "ausbalancierte Kontrollen aufzusetzen." "Schärfe Kontrollmechanismen" seien "eigentlich schon fruchtbar." Sie setze lieber darauf, "dass die Leute sich von sich aus regelkonform verhalten". Das sei doch eine Selbstverständlichkeit. Eine volle Kontrolle jedoch nicht.
Ein weiterer möglicher Regelverstoß
Die BaFin überprüft aktuell private Finanzgeschäfte von zwei Mitarbeitern mit Gamestop-Aktien. Die Behörde untersucht, ob die angezeigten Geschäfte als spekulativ einzuordnen sind. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Derartige Geschäfte sind seit Oktober 2020 verboten.
Quellen: Der Aktionär, Deutscher Bundestag
Autor(en): versicherungsmagazin.de