Ende Januar 2011 wurde ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Az.: 20 U 38/10) rechtskräftig, mit dem sich zum ersten Mal ein Obergericht ausführlich mit der Praxis der offenen Mitversicherung beim Abschluss von Versicherungsverträgen auseinandergesetzt hat. Zudem ist das Urteil wegweisend hinsichtlich der durch die VVG-Reform eingeführten Neuregelung der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers.
Seit rund zwanzig Jahren werden in Deutschland Risiken in der Industrieversicherung nach dem Prinzip der so genannten „offenen Mitversicherung“ versichert. Hierbei schließen sich mehrere Versicherer zusammen, um ein Risiko gemeinsam zu decken. Obwohl rechtlich gesehen jeder Mitversicherer einen eigenen Versicherungsvertrag schließt, handelt gegenüber dem Versicherungsnehmer in der Regel nur ein „führende Versicherer“. Darüber hinaus bedient sich der Versicherungsnehmer oftmals eines Industrieversicherungsmaklers, der den Abschluss des Versicherungsvertrages vorbereitet.
Sonderbedingung als Voraussetzung für Versicherungsschutz vereinbart
Im zu entscheidenden Fall verweigerte einer von vier an einer offenen Mitversicherung beteiligten Versicherer den Versicherungsschutz. Er vertrat die Auffassung, dass zwischen ihm und dem klagenden Betrieb, der von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten wurde, vor Übersendung der Versicherungspolice eine Sonderbedingung als Voraussetzung für den Versicherungsschutz vereinbart wurde, die beim Eintritt des Versicherungsfalls nicht erfüllt war. In der später vom führenden Versicherer ausgestellten Police wurde diese Sonderbedingung jedoch nicht aufgenommen.
Ferner war der beklagte Versicherer der Meinung, er habe den Versicherungsvertrag wirksam angefochten, da der klagende Betrieb eine Anzeigepflichtverletzung bei Vertragsschluss begangen habe. Denn dieser habe die vom Makler auf dessen Fragebogen formulierten Fragen zu gefahrerheblichen Umständen falsch beantwortet.
Falsche Angaben reichen nicht aus, um Anzeigenpflichverletzung vorwerfen zu können
Nach dem Urteil des OLG Hamm muss der beklagte Versicherer nun jedoch für den Schaden aufkommen. Das Gericht entschied, dass die Bestimmungen in der Police des führenden Versicherers für alle beteiligten Mitversicherer gelten. Die vorab vereinbarte Sonderbedingung des beklagten Versicherers habe mit Übermittlung der Police ihre Wirksamkeit verloren, da sie darin nicht enthalten war. Daneben entschied das Gericht, dass falsche Angaben auf dem Fragebogen eines Maklers nicht ausreichen, um dem Versicherungsnehmer eine Anzeigepflichtverletzung vorwerfen zu können. Stattdessen müsse der Versicherungsnehmer vom Versicherer erkennbar selbst gestellte Fragen falsch beantworten.
Es ist davon auszugehen, dass die Versicherer zügig auf das Urteil reagieren und die Gepflogenheiten beim Abschluss von Versicherungsverträgen in den kommenden Monaten anpassen werden.
Zu den Autoren: Andreas Naujoks, Rechtsanwalt der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Eschborn/Frankfurt a.M., Themenschwerpunkte: Versicherungsrecht und Financial Services;
Isabel Heydorn, Rechtsanwältin in der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg, Themenschwerpunkte: Versicherungsvertrags- und Versicherungsaufsichtsrecht
Bild: © Gert Altmann /
Seit rund zwanzig Jahren werden in Deutschland Risiken in der Industrieversicherung nach dem Prinzip der so genannten „offenen Mitversicherung“ versichert. Hierbei schließen sich mehrere Versicherer zusammen, um ein Risiko gemeinsam zu decken. Obwohl rechtlich gesehen jeder Mitversicherer einen eigenen Versicherungsvertrag schließt, handelt gegenüber dem Versicherungsnehmer in der Regel nur ein „führende Versicherer“. Darüber hinaus bedient sich der Versicherungsnehmer oftmals eines Industrieversicherungsmaklers, der den Abschluss des Versicherungsvertrages vorbereitet.
Sonderbedingung als Voraussetzung für Versicherungsschutz vereinbart
Im zu entscheidenden Fall verweigerte einer von vier an einer offenen Mitversicherung beteiligten Versicherer den Versicherungsschutz. Er vertrat die Auffassung, dass zwischen ihm und dem klagenden Betrieb, der von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft vertreten wurde, vor Übersendung der Versicherungspolice eine Sonderbedingung als Voraussetzung für den Versicherungsschutz vereinbart wurde, die beim Eintritt des Versicherungsfalls nicht erfüllt war. In der später vom führenden Versicherer ausgestellten Police wurde diese Sonderbedingung jedoch nicht aufgenommen.
Ferner war der beklagte Versicherer der Meinung, er habe den Versicherungsvertrag wirksam angefochten, da der klagende Betrieb eine Anzeigepflichtverletzung bei Vertragsschluss begangen habe. Denn dieser habe die vom Makler auf dessen Fragebogen formulierten Fragen zu gefahrerheblichen Umständen falsch beantwortet.
Falsche Angaben reichen nicht aus, um Anzeigenpflichverletzung vorwerfen zu können
Nach dem Urteil des OLG Hamm muss der beklagte Versicherer nun jedoch für den Schaden aufkommen. Das Gericht entschied, dass die Bestimmungen in der Police des führenden Versicherers für alle beteiligten Mitversicherer gelten. Die vorab vereinbarte Sonderbedingung des beklagten Versicherers habe mit Übermittlung der Police ihre Wirksamkeit verloren, da sie darin nicht enthalten war. Daneben entschied das Gericht, dass falsche Angaben auf dem Fragebogen eines Maklers nicht ausreichen, um dem Versicherungsnehmer eine Anzeigepflichtverletzung vorwerfen zu können. Stattdessen müsse der Versicherungsnehmer vom Versicherer erkennbar selbst gestellte Fragen falsch beantworten.
Es ist davon auszugehen, dass die Versicherer zügig auf das Urteil reagieren und die Gepflogenheiten beim Abschluss von Versicherungsverträgen in den kommenden Monaten anpassen werden.
Zu den Autoren: Andreas Naujoks, Rechtsanwalt der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Eschborn/Frankfurt a.M., Themenschwerpunkte: Versicherungsrecht und Financial Services;
Isabel Heydorn, Rechtsanwältin in der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hamburg, Themenschwerpunkte: Versicherungsvertrags- und Versicherungsaufsichtsrecht
Bild: © Gert Altmann /
Autor(en): RA Isabel Heydorn und RA Andreas Naujoks LL.M.