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Industrialisierung (in) der Versicherungsbranche

„A thourough study of the value chain is the first step towards a clear industrial organization. The second step consists of improving existing competencies while at the same time complementing non-existing ones […] Efficiently segmenting the value chain is a key element of success […]” (Henri de Castries, CEO AXA Group)

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Industrialisierung ein Prozess, der durch eine signifikante Zunahme der gewerblichen Gütererzeugung (sekundärer Sektor) auf Kosten des Agrarbereichs (primärer Sektor) gekennzeichnet ist. Die Erzeugung von gewerblichen Massengütern erfolgt mit wachsendem Maschineneinsatz in großgewerblicher, arbeitsteiliger Produktionsorganisation. Damit einhergehen ein langfristiger Anstieg des Bruttonationaleinkommens im industriellen Sektor, eine Zunahme der industriell Beschäftigten und eine Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, der Investitionsquote sowie der städtischen Bevölkerung. Die Betriebswirtschaftslehre versteht unter Industrialisierung gemeinhin die Ausbreitung industrieller, hochproduktiver Methoden der Fertigung und Leistungserstellung. Als damit korrespondierende Prinzipien gelten die Standardisierung, Automatisierung, Spezialisierung, Konsolidierung und Vernetzung über Schnittstellen. Heutzutage wird dieser Prozess zudem mit der Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien, einer Prozess- und Kundenorientierung sowie einer genaueren Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette in Verbindung gebracht. Kurzum: Der Begriff der Industrialisierung beschreibt die Optimierung der Wertschöpfungskette, d.h. der Einkaufs-, Fertigungs- und Distributionsprozesse, durch Standardisierung, Automatisierung, Spezialisierung, Konsolidierung und Vernetzung unter Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.

Standardisierung steht für die immer gleiche Durchführung von Aktivitäten oder Prozessen, unabhängig davon, durch wen diese wann und wo erfolgt. Automatisierung bedeutet – als Gegenteil von Manufaktur –, dass Aktivitäten oder Prozesse maschinell angestoßen und betrieben werden. Spezialisierung ist Ursache und Folge von Arbeitsteilung: Damit ist gemeint, dass Mitarbeiter, Abteilungen oder ganze Unternehmen sich auf bestimmte Aktivitäten oder Prozesse beschränken, dadurch entsprechendes Know-how und Erfahrungen aufbauen und als Spezialisten effektiver und effizienter arbeiten. Konsolidierung drückt die Bündelung ähnlicher oder gleicher Aktivitäten oder Prozesse in einer organisatorischen Einheit aus. Sie soll die Auslastung der Spezialisten erhöhen und dadurch Synergien erzielen. Schließlich ermöglicht die Vernetzung das Zusammenspiel von Spezialisten, Aktivitäten und Prozessen über Mitarbeiter, Abteilungen oder Unternehmen hinweg. Neben diese traditionellen Prinzipien treten in jüngster Zeit modernere Ansätze, wie Geschäftsprozessmanagement (GPM), Total Quality Management (TQM), Lean Management oder Six Sigma. Sie zielen i.d.R. darauf ab, die Einhaltung eines oder mehrerer der beschriebenen Grundprinzipien der Industrialisierung über die verschiedenen Geschäftsprozesse hinweg zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.

Die Industrialisierung erfasst in immer größerem Maße auch die Assekuranz. Ihre treibenden Kräfte sind der stetig zunehmende Kosten- und Erfolgsdruck, ihrerseits angeheizt durch die immer stärkere Kapitalmarktorientierung. Unterstützend wirken überdies technologische Entwicklungen und die Digitalisierbarkeit des Informationsprodukts Versicherung. Schließlich fördern rechtliche Anforderungen, wie bspw. die kürzlich neu geschaffenen Informationspflichten nach dem Versicherungsvertragsgesetz und nach der Informationspflichten-Verordnung, die zunehmende Digitalisierung von Anträgen, Flyern, Produktinformationsblättern, Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Policen. Zahlreiche Studien belegen, dass die Notwendigkeit zur Industrialisierung in der gesamten Branche unbestritten ist, wenngleich der Industrialisierungsgrad von Versicherer zu Versicherer sowie zwischen den Lebens-, Kranken- und Schadenversicherern noch recht stark variiert. Bspw. sind die Lebens- und Krankenversicherer tendenziell noch nicht so weitgehend industrialisiert wie die Schadenversicherer.

Grundsätzlich ermöglicht die Tatsache, dass Versicherung in weiten Teilen auf einem Informationstransfer beruht, die Automatisierung wesentlicher Teile der Wertschöpfung durch leistungsfähige Informationsverarbeitungssysteme. Eingriffe durch Personen lassen sich in standardisierbaren und überdies automatisierbaren Aktivitäten und Prozessen – wie der Antragsverarbeitung, der Policierung, der Bestandsverwaltung, der Regulierung von Kleinschäden und dem In- und Exkasso – auf die Prozessüberwachung und die Bearbeitung von Ausnahmefällen reduzieren (im Übrigen erfolgt eine „Dunkelverarbeitung“). Dort, wo die Automatisierung an ihre Grenzen stößt, greift die Prozesszerlegung in einzelne Funktionen in Verbindung mit einem modernen Workflowsystem, das die zu erledigenden Teilaufgaben unterschiedlichen Spezialisten zuordnet (z.B. Underwriting, Regulierung komplexerer Schäden). Überdies gestattet die Trennung von Funktion und Geschäftsobjekt die gemeinsame Nutzung von Funktionen in unterschiedlichen Geschäftsprozessen (Konsolidierung). Bspw. kann derselbe Datenerfasser nacheinander eine Adressänderung, eine Schadenmeldung und die Bestellung von Informationsmaterial bearbeiten, da die durch ihn zu erledigende formale Prüfung kein Fachwissen verlangt. Das gilt im Fall einer telefonischen Mitteilung – im Internet können diese Daten sogar direkt vom Informanten eingegeben werden. Aus der Prozesszerlegung resultieren Teilschritte und eine gemeinsame Funktionsnutzung. Beides zusammen ermöglicht sog. Shared Services, bei denen Konsolidierung und Vernetzung ineinander greifen: Immer häufiger übernehmen Shared Servicecenter bzw. Servicegesellschaften für mehrere Standorte oder Konzerngesellschaften ausgewählte Aufgaben, die bislang in gleicher oder ähnlicher Form verteilt an mehreren Stellen durchgeführt wurden. Dabei geht es je nach Strategie um mehr Markt- und Kundenorientierung durch die Nutzung von Marktprinzipien mittels Etablierung interner Verrechnungs- bzw. Marktpreise und damit geschaffenen größeren Entscheidungsspielräumen, um Produktivitätssteigerungen durch Nutzung von Skaleneffekten und/oder um bloße Personalkosteneinsparungen durch Verzicht auf die Tarifregelungen für das Versicherungsgewerbe. Unter technischen Gesichtspunkten wird dies durch eine serviceorientierte Architektur (SOA) unterstützt, bei der alle für einen Geschäftsprozess notwendigen Funktionen über standardisierte Schnittstellen in Abhängigkeit von der Geschäftsprozesslogik genutzt werden. Die SOA bietet sich für die Anbindung externer Dienstleister oder Abnehmer im Zuge von Sourcingvorhaben an.

Es zeigt sich, dass die Anwendung der verschiedenen Industrialisierungsprinzipien die Identifikation und Zerlegung von Prozessen bedingt. Voraussetzung für eine systematische Industrialisierung ist mithin ein konsequentes GPM, das Prozesse im Hinblick auf Ineffizienzen und Schwachstellen wie bspw. Redundanzen, Medienbrüchen, Liegezeiten und Fehler prüft und verbessert. Dazu hat es verschiedene Schritte zu vollziehen: Zunächst ist der Anwendungsbereich bzw. die Reichweite (Konzern, Unternehmen, Geschäftsbereich, Abteilung bzw. Aktivität) des GPM festzulegen. Dann sind alle im Anwendungsbereich relevanten Prozesse zu identifizieren und zu definieren. Diese sind zudem nach einheitlichen Richtlinien zu dokumentieren. Sodann sind ihnen hinsichtlich der Durchführung und Steuerung personelle Verantwortlichkeiten zuzuordnen. Damit die Qualität, Kosten, Zeiten und Produktivität der Prozesse beobachtet werden können, sind diesbezüglich geeignete Kennzahlen zu bilden und zu messen. Somit ist die Basis geschaffen, um ein einheitliches Prozess-Controlling mit Zielplanung, Steuerung und Kontrolle zu betreiben.

Die Industrialisierungsprinzipien Spezialisierung, Konsolidierung und Vernetzung führen in ihrem Zusammenspiel zur Entscheidung, wer bestimmte Geschäftsprozesse durchführen soll. Hierbei handelt es sich um die klassische Make-or-Buy-Entscheidung im Rahmen einer Sourcingstrategie. Unter strategischen Gesichtspunkten lassen sich die einzelnen Geschäftsprozesse zu sog. Wertschöpfungsaktivitäten zusammenfassen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfung leisten. Zudem erlauben sie einen Rückgriff auf die von Porter eingeführte Wert(schöpfungs)kette, die ein analytisches Instrument zur Untergliederung der Aktivitäten der unternehmerischen Leistungserstellung in strategisch relevante Teilverrichtungen darstellt. Die dabei anfallenden primären Wertschöpfungsaktivitäten eines Versicherungsunternehmens beziehen sich auf die Erstellung und den Verkauf der Versicherungsprodukte. Sie sind unmittelbar dafür verantwortlich, dass Versicherer mehr Umsatz erzeugen als sie an Vorleistungen beziehen, d.h. Wert schöpfen. Die sekundären Wertschöpfungsaktivitäten unterstützen die primären Aktivitäten der gesamten Kette.

 

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Abb. 1: Generische Wertschöpfungskette eines Erstversicherers.

Der abgebildeten generischen Wertschöpfungskette (vgl. Abb. 1) lassen sich die Wertschöpfungsaktivitäten verschiedener Versicherer und verschiedener Versicherungssparten bzw. ­zweige zuordnen (z.B. Lebens-, Kranken-, Kfz-, Hausrat-, Rechtsschutzversicherung). Erst auf der Ebene der Umsetzung von Wertschöpfungsaktivitäten in Geschäftsprozessen zeigen sich Unterschiede von Unternehmen zu Unternehmen, weil die Geschäftsprozesse sparten- und zweigspezifisch sind und weil sie trotz gleicher Geschäftslogik oftmals unternehmensindividuell gestaltet sind.

Die primären Wertschöpfungsaktivitäten des Versicherers umfassen die Produktentwicklung, das Underwriting, die Risikotragung und Risikotransformation, das Asset Management, das Schadenmanagement, das Marketing sowie den Kundenkontakt (Beratung, Vertrieb und Kundenbetreuung). Ihnen lassen sich jeweils weitere Teilprozesse zuordnen:

  • Die Produktentwicklung umfasst die Phasen des Produktentwicklungsprozesses.
  • Das Underwriting umfasst sowohl die Risikoprüfung innerhalb der Zeichnungsrichtlinien als auch die Zeichnung konkreter Versicherungspolicen (einschl. der Vertragsabwicklung). Teilprozesse sind bspw. die Antragsbearbeitung, standardisierte und komplexe Underwriting-Prozesse, die Policierung und die Provisionierung.
  • Risikotragung und Risikotransformation sind Gegenstand der Risikopolitik. Der Versicherer organisiert den Risikoausgleich im Kollektiv (und in der Zeit). Im Grunde genommen handelt es sich dabei um die Produktion von Versicherungsschutz: „Die Faktorkombination zur Versicherungsproduktion kann nur im Kollektiv wirtschaftlich sinnvoll durchgeführt werden; für eine einzelne Versicherung sind die erforderlichen Einsatzmengen vom Produktionsfaktor Schadenvergütung völlig unbestimmt und aprioristisch unbekannt“ (Farny 1965, S. 12).
  • Das Asset Management (Kapitalanlagegeschäft) ist ein eigener Geschäftsbereich, der überwiegend durch das Versicherungsgeschäft verursacht wird und diesem zugleich wertschöpfend „zuarbeitet“: Einerseits wird das Kapitalanlagegeschäft durch das Versicherungsgeschäft erst ermöglicht, genauer durch die Vorauszahlung der Prämien, ferner (in der Personenversicherung) durch den Eingang von Sparprämien im Rahmen des Spargeschäfts sowie durch das nicht anderweitig gebundene Eigenkapital. Andererseits sind Kapitalanlagen Produktionsfaktoren für das Versicherungsgeschäft, wenn sie versicherungstechnische Verpflichtungen absichern. Wertschöpfende Teilprozesse des Asset Managements umfassen die strategische und taktische Asset Allocation, die Entwicklung von Anlageprodukten sowie die Festlegung der Einzelinvestments.
  • Im Rahmen des Schadenmanagements besteht die eigentliche Schadenbearbeitung aus den fünf Teilaktivitäten Schadenannahme, Schadenprüfung, Schadenleistung (in Form der weitestgehend finanziellen Leistungserbringung), Schadennachbearbeitung und Schadencontrolling sowie aus den Querfunktionen Betrugserkennung und Informationsweiterleitung.
  • Besonders relevante Teilaktivitäten im Marketing von Versicherungsunternehmen sind die Marketingforschung, im Bereich des strategischen Marketings das Markenmanagement und das Customer Relationship Management sowie im Bereich des operativen Marketings die Gestaltung der Versicherungsprodukte, der Kommunikation (insb. Verkaufsförderung, Werbung, Sponsoring) und der zentral durchgeführten Kundenkontakte.
  • Die zentralen Wertschöpfungsaktivitäten im direkten Kundenkontakt können zeitlich zusammen und getrennt erfolgen, beziehen sich auf die Kontaktanbahnung, die Beratung, den Verkauf als solchen, die Betreuung des Kunden im Zeitablauf (im Zuge von Vertragsanpassungen oder -ergänzungen sowie im Schadenfall) sowie die Vertragsbeendigung und bedienen sich dabei verschiedener Kommunikations- und Distributionskanäle.
  • Die Rückversicherung wird als wichtiger Produktionsfaktor eingekauft und fließt als (Vor‑)Leistung in die Wertschöpfungsaktivitäten Produktentwicklung, Underwriting und Risikotransformation mit ein.

Die sekundären Wertschöpfungsaktivitäten unterstützen einzelne, mehrere oder alle primären Wertschöpfungsaktivitäten. Zu ihnen zählen die Bestandsverwaltung, die Betriebsorganisation, das Recht, die Informationstechnologie, die Unternehmensführung, das Controlling, das Personalwesen und nicht zuletzt das Finanz- und Rechnungswesen.

Die Analyse der unternehmenseigenen Wertschöpfungskette führt zur Prüfung der sog. Fertigungstiefe: Sie drückt aus, wie groß der eigene Fertigungsanteil am gesamten Fertigungsprozess einer dem Konsumenten angebotenen Leistung ist. Die Fertigungstiefe der meisten Versicherer ist immer noch sehr hoch. Auch wenn beides oft gedanklich gleichgesetzt wird, sagt die Fertigungstiefe nichts über die dabei generierte Wertschöpfung aus, deren Anteil an der gesamten Wertschöpfung wesentlich höher (und auch niedriger) sein kann als der Fertigungsanteil am Fertigungsprozess. Als Folge der Gegenüberstellung von Fertigungstiefe und Wertschöpfung entlang der gesamten Wertschöpfungskette kristallisieren sich Wertschöpfungsaktivitäten heraus, die mit verhältnismäßig geringen Kosten viel Wertschöpfung bewirken, und andere Aktivitäten, bei denen das Verhältnis umgekehrt ist. Für die erste Art von Wertschöpfungsaktivitäten sind oftmals die vorhandenen Kernkompetenzen eines Unternehmens verantwortlich, da diese dazu führen, eine Wertschöpfungsaktivität besser und/oder effizienter ausüben zu können als ein anderes Unternehmen.

Im Zusammenhang mit der kernkompetenzgeleiteten Optimierung der Fertigungstiefe wird gemeinhin von strategischem Sourcing gesprochen. Dabei stehen unter Effizienzgesichtspunkten diejenigen Wertschöpfungsaktivitäten auf dem Prüfstand, die nicht direkt von eigenen Kernkompetenzen profitieren bzw. aus diesen abgeleitet sind. Im Sinne eines strategischen Sourcings sind alle Wertschöpfungsaktivitäten dahingehend zu analysieren, ob sie am effektivsten, effizientesten und schnellsten

  • weiterhin im eigenen Unternehmen,
  • ggf. neu im Zuge eines Insourcing zusätzlich für andere,
  • gemeinsam mit einem Partner in einer strategischen Wertschöpfungspartnerschaft,
  • von einem Partner im Zuge eines strategischen Outsourcings oder
  • durch Zukauf vom Markt

erbracht werden.

Zum aktuellen Industrialisierungsgebaren der deutschen Versicherer lässt sich feststellen, dass sich momentan nahezu alle Versicherungsunternehmen industrialisieren, sei dies partiell in ausgewählten Geschäftsprozessen oder sei dies weitreichend über die gesamte Wertschöpfungskette. Oftmals stellt sich die Verbindung der Funktionen von Geschäftsprozessen im Gesamtprozess jedoch noch als hochmanueller, zeitaufwendiger und fehleranfälliger Prozess dar. Die dabei fehlenden Workflowsysteme konterkarieren die Automatisierung, weil die papierbasierte Informationsweitergabe zwischen einzelnen Funktionen durch Menschen erfolgt, und verstärken die Intransparenz und Ineffizienz von Geschäftsabläufen. Viele Versicherer haben diesbezüglich Nachholbedarf. Mit den aktuellen Automatisierungsbestrebungen geht eine zunehmende Standardisierung einher, auch wenn diese durch die Komplexität mancher Versicherungsprodukte, die Heterogenität der Kundenbedürfnisse und immer noch fehlende branchenweite Technikstandards erschwert wird. Immerhin gewinnt in der Assekuranz aktuell mit dem BiPRO-Standard branchenweit ein Standard für den Datenaustausch zwischen verschiedenen Akteuren an Bedeutung. In der diesbezüglichen Brancheninitiative geht es um eine einheitliche Prozess- und Datensprache für die E-Business-Prozesse. Die gemeinsam entwickelten fachlichen und technischen Normen dienen der Optimierung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse, wobei der geschäftsvorfallbezogene elektronische Daten-, Dateien- und Dokumentenaustausch insbesondere zwischen Vermittlern und deren Geschäftspartnern im Fokus steht. An der Brancheninitiative beteiligen sich nahezu alle bedeutenden Versicherer und insgesamt rund 200 Unternehmen. Abgesehen von den genannten Standardisierungsaktivitäten werden Versicherer aufgrund der veränderten Marktbedingungen und rechtlichen Gegebenheiten in zunehmendem Ausmaß dazu veranlasst, weitreichende Sourcing-Entscheidungen umzusetzen. Aktuelle Outsourcing-Beispiele teils von großem Ausmaß betreffen etwa die IT-Bereiche. Somit wird künftig bei vielen Versicherern die Fertigungstiefe abnehmen, und es werden sich unterschiedliche Wertschöpfungsmodelle nebeneinander etablieren.

Literatur: Adelt, M./Stuff, H., Vom Verwalter zum Dienstleister, Shared Service Center: Durch Bündelung von Kompetenzen verbessert sich die Qualität, in: Versicherungswirtschaft 2007, S. 601-603; BiPRO e.V. – Brancheninstitut für Prozessoptimierung (Hrsg.), Aktuelle und zukünftige Themenfelder für die Branche, Schadenbearbeitung – Vermittlerabrechnung – Implementierungsoffensive, Düsseldorf 2014; Farny, D., Produktions- und Kostentheorie der Versicherung, Karlsruhe 1965; Felten, M., Chancen und Risiken der Industrialisierung in der Versicherungswirtschaft, in: Hannoveraner Reihe – Versicherungswissenschaft in Hannover, Band 25, Karlsruhe 2012; Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen/ Adcubum AG (Hrsg.): Industrialisierung in der Versicherungswirtschaft, Eine empirische Studie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, St. Gallen 2007; Köhne, T., Marketing im strategischen Unternehmensnetzwerk,
Erklärungsmodell und praktische Anwendung in der Versicherungswirtschaft, Wiesbaden 2006; Köhne, T./ Taufer, N.: Industrialisierung in der deutschen Versicherungsbranche – eine empirische Erhebung des Status Quo im Jahr 2008, in: Berliner Schriften zur Versicherungswirtschaft, hrsg. vom Institut für Versicherungswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Nr. 2, Berlin 2010; Wietfeld, M./ Weisgerber, T./Malik, A.; Schradin, H.R., Prozessmanagement: Nur jedes dritte Unternehmen kommt in die Nähe des Best Practice, in: Versicherungswirtschaft 2009, S. 252-255.

Autor(en): Prof. Dr. Thomas Köhne

 

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